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Mercedes war schon in der Künstlerstadt an Modelle von nicht be­sonderer Fügsamkeit gewöhnt, aber diese kleineTochter der Wildniß" überstieg doch alle ihre bisherigen Erfahrungen. Dabei hatte sie aber so große Ursache über die Mutter zu klagen, die es durchaus nicht verstand das unruhige Kind zu unterhalten und ihm Respekt und Gehorsam ein­zuflößen. Die arme Künstlerin sah ihren reichen Tagelohn verschleudert, sie hatte nichts damit für ihr Bild erobert als ein paar goldene Löckchen von dem kleinen Querkopf und saß wie in Angstschweiß gebadet, als die Beiden sie verlassen hatten.Es wird in Zukunft schon besser gehen," sagte sie sich selbst tröstend,auch die Modelle muß man erziehen, und die ländlichen erfordern, wie ich merke, eine Methode, die ich noch er­lernen muß."

Doch es wollte nicht besser gehen, weder mit den kleinen noch den großen Leuten, welche letzteren sie doch endlich auch zu Hilfe rufen mußte. Die Bauern konnten sich nicht entschließen stundenlangso faul," wie sie es nannten, auf einem Stuhl zu sitzen, ohne jede Handarbeit, und so steif wie einHolz" da zu stehen, und gar ihre Felder, Berge und Wiesen mit aller Arbeit darauf im Stich zu lasten, das schien ihnen ganz sündlich, wenn sie auch noch einmal so viel Geld mit dem Modellsitzen verdienen konnten.

Im Grund gefiel Mercedes dieser Charakterzug des kräftigen Dorf­lebens, der sich gegen das Hergeben zu einem willenlosen Modell sträubte, und daß den Bauern ihre Bäume und Feldfrüchte, das Gedeihen ihrer grünen, wasserreichen Wiesen mehr am Herzen lag als der Gewinn des verdoppelten Geldes, das sie ihnen bot. Aber sie hatte bei alledem den Schaden davon und bald mußte sie noch einen Grund der Abneigung gegen das Modellsitzen erfahren, der, obgleich er sie anfangs zum Lachen brachte, doch bald einen tragischen Konflikt zwischen ihr und den Dorf­bewohnern zur Folge hatte.

Sie wurde gewahr, daß sich diese Bauern, wie es bei einigen wilden Völkerstämmen der Fall ist, auch deshalb vor dem Abmalen ihrer Gestalten fürchteten, weil sie meinten, daß damit irgend eine Gefahr für ihr Leben verbunden wäre, indem es ihnen gespensterhaft vorkam, sich zum zweitenmal zu erblicken und gar als ein lebloses Wesen, das trotz aller Aehnlichkeit mit dem wirklichen Leben, weder sprechen noch sich bewegen konnte.

Freilich waren es nur Einzelne, welche diese kindische Furcht hegten, aber leider pflegt sich nichts so leicht mitzutheilen als Furcht und Aber­glauben. Besonders in einsamen Berggegenden sind die Menschen zum