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Auch die von Natur sehr furchtsame Anna hatte sich bei solch einer Dienstleistung ihre Krankheit geholt. Der Schreck durch die Gliederpuppe mochte den Ausbruch beschleunigt haben, wenigstens phantasirte sie im Fieber oft von der Puppe und daß sie den Arm gegen sie aufgehoben, um ihr den Tod anzukündigen.

Es war leicht erklärlich, daß die Reden der bösen Frau Sander Wurzel faßten in den Herzen der armen Eltern und der Nachbarsleute, die ihre Sorge um das kranke Kind theilten, daß das dunkle Gespenst des Aberglaubens emporstieg und immer höher wuchs vor den Augen der unwissenden, verblendeten Bauern.

Ein jäher Schreck ging durch das Dorf, als das Sterbeglöckchen mit seinen klagenden Tönen den Tod des jungen Mädchens verkündete. Das kommt von dem Abmalen! das hat die böse Puppe gethan!" so murmelte es unheimlich hin und her wie Windesrauschen vor dem Ausbruch eines Gewitters. Als ob die Zeiten des Mittelalters plötzlich zurückgekehrt wären mitten in die Aufklärung unserer Tage, wob sich ein dämonischer Nebelkreis um die sanfte Gestalt der edlen Mercedes. Es fehlte nicht viel, so hätte man ihren Einzug ins Dorf als die Ursache der schauerlichen Krankheitsperiode, die über dasselbe hereingebrochen, be­trachtet.

Sie selber lebte ahnungslos dahin und wußte nicht, daß in dieser Zeit ihre treuen Hausgenossen, Frau Bergheim und ihre Töchter, sie wie gute Schutzengel umgaben, ihr so viel wie möglich das gehässige Gerede fern zu halten suchten und mit all' dem Einfluß, den sie durch ihr edles, freundliches Leben im Dorfe sich erworben, ihm entgegen wirkten.

Es war aber alles so rasch gekommen, daß sie kaum Zeit gehabt hätten die traurigen Folgen des tragischen Ereignisses von der armen Mercedes abzuwenden, wenn ihr nicht ein anderer, kräftigerer Schutzgeist aus dem Andenken der verklärten Freundin erstanden wäre.

Um Euch das zu erklären, muß ich Euch in eine ferne, längst ent­schwundene Zeit zurückführen und will Euch, meine jungen Leserinnen, im nächsten Kapitel eine Begebenheit aus der Jugend der ländlichen Dichterin erzählen, deren Segen noch nicht verschwunden war und sich noch einmal wieder helfend und belebend aufrichten sollte.