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thäterin seiner Kindheit beweisen konnte. Unter manchen rohen, alten Sitten unter dem Landvolk herrscht auch noch die, daß bei dem Begräbniß eines Verstorbenen von seiner Familie ein sogenanntesLichlog" (Leichen- mahl) veranstaltet wird, wo Jung und Alt im Dorf und in der Umge­bung sich im Trauerhaus versammelt, um Kaffee und Kuchen, Wein, Bier und Branntwein, in reicher Fülle gespendet, zu genießen. Mit wie schwerem Herzen auch wohl die Mehrzahl solch einen Schmaus anrichten mag, so würde doch so leicht Keiner den Muth haben, sich diesem Ge­brauche zu entziehen, oder nur einen Kuchen, eine Flasche weniger zu geben, als es die Sitte vorschreibt. Ist doch Brauch und Herkommen bei den Bauern fast noch tyrannischer als unter den gebildeten Ständen.

Das junge Mädchen, welches so plötzlich vom Fieber hingerafft wurde, war ein Liebling des Dorfes gewesen und ein Kind wohlhabender Eltern. So wurde denn ein ungewöhnlich glänzendes Leichenmahl ge­halten und besonders saßen eine große Zahl junger Burschen bis spät in die Nacht zechend zusammen und erhitzten sich in allerlei Reden über die Ursache des traurigen Todes der jungen, hübschen Anna. Natürlich war von einem vernünftigen Schluß bei den von Bier und Branntwein um­nebelten Köpfen keine Rede, und so kam es, daß einige heißblütige Ge­sellen Rachepläne schmiedeten und ihre Lust zu tollen Streichen sie anfeuerte zu dem gottlosen Vorsatz: die Fenster des Maler-Ateliers zu zerschlagen und die böse Puppe zu zerstören.

Das thörichte Verlangen wuchs von Minute zu Minute, mit jedem Glase, das die wilden Burschen leerten, und wirklich brachen sie im Dunkel der Nacht auf und wanderten mit Keulen und Steinen bewaffnet dem friedlichen Hause zu. Der Zufall aber wollte, daß gerade unser ehr­licher Kaspar mit ein paar seiner Gesellen aus einem entfernten Orte des Weges daher nach seinem Heim zurückkehrte. Hinter der trunknen Rotte hergehend, hörte er die wilden Reden, hörte den Namew der Künstlerin unter unsinnigen Drohungen aussprechen und konnte leicht nach Allem, was ihm schon vorher bekannt war, sich den verbrecherischen Plan Zu­sammensetzen.

Das müssen wir zu verhüten suchen!" flüsterte er seinen Gefährten zu, denen diese Gelegenheit, ihren jugendlichen Muth zu zeigen, gerade recht kam. Mit Mühe nur konnte sie der besonnene Kaspar abhalten sich sofort auf die frechen Burschen zu stürzen, indem er erst abwarten wollte, ob diese wirklich versuchen würden ihr Vorhaben auszuführen. Doch er