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die unschönen Bilder an den Wänden ihrem verwöhnten Künstlerauge/ und das falsche Orgelspiel wie der heisere Gesang ihrem musikalischen Ohr weh' thaten und sie gleich in eine nervöse Stimmung versetzten, in der es ihr selten möglich war dem schönen Vortrag des ernst gebildeten Predigers zu folgen.

Aber heute schien auch diese Lieblingsstelle dem Herzen der Einsamen keine Ruhe geben zu können. Ihr Gesicht sah geisterbleich aus und ein bläulicher Rand um die schönen Augen zeugte von den Kämpfen traurig verlebter Tage und schlafloser Nächte.

Die arme Mercedes hatte viel gelitten in dem stillen Dorfe, .wo sie Ruhe und Trost nach heftigen Stürmen zu finden hoffte. Obgleich die guten Hausgenossen ihr den Vorfall jener Nacht verschwiegen, so war ihr doch zum Theil durch Frau Kathrin's treuherziges Geplauder, zum Theil durch eigene Beobachtung klar geworden, in welche Verbindung man sie mit dem Tode des jungen Mädchens gebracht. Es hatte sie tief er­schüttert, und auch als das alberne Gerede allmälig durch den Einfluß verständiger Menschen verstummt war, mußte sie noch an den Folgen leiden. Eine gewisse Scheu war dennoch zurückgeblieben, sie konnte noch immer keiner brauchbaren Modelle habhaft werden, und nur die Bewohner jenes im Dorfe mißliebigen Hauses lockte der reiche Verdienst, daß sie sich mit gedankenloser Selbstsucht zum Modellsitzen drängten. Gerade diese aber waren, trotz der Schönheit ihrer Gestalten, der ernsten Mercedes allmälig zuwider geworden und die Kinder blieben fortwährend mit ihrem unru­higen Gebühren eine wahre Marter für sie.

Außerdem aber fühlte sie, wie es ihr immer schwerer wurde, den Umgang mit den Genossen ihres früheren Lebens zu entbehren. Wie oft sehnte sie sich vergeblich nach Rath und Mittheilung im Gebiete ihrer Kunst! wie dachte sie mit heißem Verlangen der schönen Bilder, welche in der Künstlerstadt gemalt wurden, der Concerte, die sie gehört, der genuß­reichen Stunden, welche ihr die Aufführung eines klassischen Werkes un­serer dramatischen Dichter im Theater bereitete! Wie ein Hunger zehrte dieses Verlangen an ihr das Heimweh nach künstlerischem Leben und Treiben. Und doch wurde es ihr schwer, sich zu einer Flucht aus diesem für sie so dürren Bezirk zu entschließen. Es that ihr weh' die guten Menschen, die sie so freundlich aufgenommen, damit zu kränken, und dann war es ihr auch immer, als müsse sie noch den Talisman entdecken, der auch hier diesen Menschen das Leben lieb und freundlich mache; es war