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ihr stets, als schauten sie Elisabeth's klare Augen bittend an:Kehre nicht feindlich meiner Heimath den Rücken, ihr, meiner ersten Liebe, die mich das Schönste und Beste gelehrt hat, das in meinen Liedern die Herzen rührt und in meinem Leben Andere glücklich gemacht hat."

Sie fing vornehmlich an ihre Hausgenossen mehr zu beachten, als sie es bisher gethan; aber auch mit ihnen wollte noch kein rechtes Ein- verständniß sich gestalten, und sie konnte den Schlüssel nicht finden zu den Herzen dieser rehscheuen Bergnaturen. Sie sah das ganze Haus arbeiten vom frühen Morgen bis zum späten Abend; eine kleine Oekonomie gab besonders im Herbste viel zu thun. Da wurden die Früchte des Feldes eingefahren, der Roggen gedroschen, der Flachs zubereitet, das Obst ge­schnitzelt und gedörrt, Bohnen und Sauerkraut eingemacht.Immer nur Arbeit und Sorge für das materielle Leben!" dachte die Künstlerin, wo bleibt denn nur ein Augenblick übrig zum Aufathmen für ein höheres Dasein? Arbeit und nichts als Arbeit! ich habe gemeint sie solle nur ein Mittel zum Leben sein, nicht aber das Leben selber."

Auch als die ruhigen Tage kamen, wo Alles in Scheune und Vor­ratskammer gesammelt war, schien es noch keine Ruhe geben zu können. Da stürzten sich die jungen Mädchen mit einer wahren Hast auf die Zu­bereitung ihrer Toiletten für die Winterkränzchen, die es im Dorfe gab, wo man zusammenkam um selbstgebackene Kuchen zu essen und sich über die häuslichen Angelegenheiten und die Neuigkeiten des Familienlebens zu besprechen. Besonders mußte auch die Garderobe der jüngsten Schwester, die in einer entfernten größeren Stadt sich zu ihrem Lehrerin-Examen vorbereitete, in Stand gebracht werden, und die dem Nesthöckchen mütter­lichgesinnte Bertha studirte mit einem Eifer die Modejournale, als gelte es ihr Seelenheil darin zu finden. Mercedes aber hatte ein wahres Grauen vor den Caricaturen dieser Blätter und fand meist alles, was den jungen Mädchen nothwendig nachzuahmen erschien, ganz abgeschmackt und lächerlich. Sie konnte ihnen keinen Rath geben und sah mit mit­leidigen Blicken auf die Mühe und die Zeit, welche die guten Kinder, denen keine Nähmaschinen und Schneiderinnen zu Gebote standen, an langen Garnirungen und künstlichen Schleifen verschwendeten, die ihr so über­flüssig und häßlich vorkamen. Fast ängstlich zog sie sich stets von solchen Toiletten-Berathungen zurück, lebte still in ihren Gemächern und kam nur beim Essen mit der Familie zusammen, wo aber auch keine rechte Zeit zu einem gemüthlichen Austausch der Gedanken war.