den Pfad hinunterzuschreiten, was ihr augenscheinlich schwer wurde, denn ihre Knie zitterten und ihr Athem keuchte schmerzlich in der kalten Winterluft. Schnell war Mercedes an ihrer Seite und fragte:Darf ich Euch führen, liebe Frau? der Weg ist glatt und Ihr könntet fallen."

Die Angeredete blickte dankend zu Mercedes auf und nahm ohne Widerrede den ihr so freundlich angebotenen Arm. Als sie eine Weile gegangen waren, blieb die alte Jungfrau (denn das Gepräge dieses Standes trugen Züge und Geberden unzweifelhaft vor dem geübten Blick der Malerin) stehen und sagte:Nichts für ungut, Fräulein! Sie ist gewiß die Malerin, von der ich so viel gehört habe, die unsere selige Jungfer Betty gekannt hat. O erzählt mir was von ihr! ich habe mir schon so lange gewünscht Euch einmal zu sprechen. Seht! wir waren junge Mädchen zusammen, die Jungfer Betty und ich, und was ich der alles zu verdanken habe, das kann ich Euch gar nicht sagen. Manchen tollen Streich haben wir zwar zusammen ausgeheckt, denn wir waren ein paar lustige Kameradinnen und hätten gern das ganze Dorf auf den Kopf gestellt vor lauter Uebermuth; aber es ging doch alles gut und ehrlich zu und war niemals böse gemeint und keines Menschen Schaden. Ach! und wie hatten sie meine Eltern so gern die gute, gute Betty! was sie denen Gutes

erwiesen hat in mancher Noth"- die gute Alte konnte vor

Rührung nicht weiter reden und Mercedes flüsterte:Also auch hier wieder! o Du glückliche Verklärte dort oben. welch' einen Kranz hast Du Dir erworben!"

Sie erfüllte den an sie gerichteten Wunsch und erzählte ihrer Ge­fährtin von der Freundin alles, was sie dachte, daß es ihr Freude machen könne. Dagegen empfing sie auf dem Wege, den sie langsam gingen und oft durch Ausruhen unterbrechen mußten, auch die Lebensgeschichte der alten Jungfrau. Es war nach Mercedes Gefühl eine sehr tragische Ge­schichte, voll Entbehrung, Arbeit und trostloser Einsamkeit. Ihre Eltern 'waren früh gestorben und hatten ihr nichts hinterlassen, als ein Stübchen in einem ärmlichen Hause und einen kleinen Bruder, den sie und sich selber dazu mit Nähen, Spinnen und Waschen ernähren mußte. Ihr Bräutigam war ihr untreu geworden, ihr Bruder im rüstigsten Mannes­alter im letzten Kriege gefallen und auch sein zurückgelassenes Kind war, wie vorher seine Frau, in ihren Armen gestorben. Nun lebte sie allein, kränklich und alt, zu keiner Arbeit als zum Spinnen mehr fähig, und wurde in ihrem kleinen Stübchen von der Gemeinde des Dorfes unterhalten.