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und dachte dabei an die alte Jungfrau in der Kapelle und den Anblick, den sie noch eben erst dort drüben am Tische gehabt.

Frau Bergheim aber beugte sich mit Thränen in den Augen über das Bett der Kranken und sprach weiter:Wie hab' ich mich gefreut auf Ihr Kommen, auf das Zusammenleben mit Ihnen! wie hoffte ich, Sie würden mir und meinen Töchtern das geben können, was uns hier fehlt! Ja, ich gesteh' es Ihnen gern, auch mir fehlt zuweilen Etwas! Mein seliger Karl war ein gebildeter Mann, er hat sich viele Mühe ge­geben den mangelnden Unterricht meiner Jugendjahre zu ergänzen; er las mir oft aus schönen Büchern vor und belehrte mich, wo er nur konnte. So habe ich wenigstens einen Einblick in ein feineres Leben erhalten. Doch als mein Mann starb, da stand das strenge Gebot der Lebensnoth vor mir, da hatte ich nur noch die harte Arbeit zu meiner Gefährtin. Ich mußte sorgen für meine Kinder und es war meine höchste Aufgabe, daß sie eine bessere Erziehung, als ich selbst genossen, erhalten möchten. Meine beiden Söhne studiren, mein jüngstes Töchterlein, das begabteste unter meinen Kindern, bereitet sich, wie Sie wissen, jetzt zum Lehrerinnen- Examen vor. Das alles hat Arbeit und Geld gekostet, aber wie lohnen mir auch die guten Kinder! wie aufopfernd helfen mir die beiden Mädchen hier für die fleißigen Brüder und das talentvolle Schwesterchen sorgen! Bald kommt mein kleiner Wildfang, meine Elsbeth zurück, dann wird das ganze Haus neu aufleben und Sie werden sehen, daß es noch immer Elisabeth's im Dorfe giebt, die sich Bahn zu brechen wissen und deren Einfluß Jeder auf die freundlichste Weise empfindet. Bleiben Sie noch bei uns, liebe Mercedes! haben Sie uns auch ein wenig lieb!"

Mercedes ruhte an der Brust der lieben, herzigen Frau und wohl­thuende Thränen erleichterten ihr Herz. Sie dachte:Wie hab' ich diese Frau verkannt, die ich für kalt und trocken hielt und die jetzt so warm und liebevoll mich berührt!"

Sie sollen sehen, wir bekommen auch Modelle," fuhr Frau Berg­heim heiter fort.Denken Sie nicht allzu schlimm von dem Ausbruch eines dummen Aberglaubens. Solch' ein Gewitterschauer aus früherer dunkler Zeit meldet sich wohl noch zuweilen, geht aber bald wieder spur­los vorüber, infolge der guten Schulen und Prediger, die wir hier haben. Hat es nicht auch für die gebildeten Stände eine Zeit gegeben, wo fast Jeder, auch der Klügste, an das Tischrücken glaubte und sich vor den Geistern im Holze fürchtete? Das ist einmal wie eine ansteckende, doch T.-A. XX. 10