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lieblich mit dem Farbenglanze ihres Pinsels zu schmücken verstand. Aber ihr selbst genügten diese Bilder nicht mehr, nun sie einmal unter diesen Bauern lebte und der nackten, wahren Wirklichkeit gegenüberstand. Sie hatte manche falsche Vorstellung abzuwerfen und ein neues Studium des Bauern- und Landlebens zu beginnen. Dafür konnte sie keinen besseren Führer finden als Frau Bergheim, welche das Leben der Dorfbewohner durch und durch kannte und sich ihm mit so vieler Liebe und Hingebung angeschlossen hatte.

Vorerst durfte sie nach dem Gebote des Arztes nichts Anderes thun, als sich pflegen lassen. Und das that ihr wohl, weil es die Pflege auf­richtiger Liebe war, die sie umgab.

Die Engel ihrer Träume waren nicht entwichen,, sie erblickte sie noch immer in den beiden lieben Mädchen, der dunkeläugigen Bertha und der lieblichen Maria, die alle Wünsche und Bedürfnisse der Genesenden ihr aus den Augen zu lesen und zu befriedigen wußten noch ehe sie ausge­sprochen wurden. Wie eine gesunde, heitere Frühlingsluft erquickte sie die Nähe der jugendlichen Wesen, die sie ebenfalls jetzt erst kennen und lieben lernte. Die Modejournale verletzten nicht mehr ihr Auge, sie waren verschwunden, und wie gern vergaß und verzieh jetzt Mercedes den guten Kindern die kleinen Schwächen mädchenhafter Eitelkeit, nachdem sie sah, wie wacker und einfach sie doch in ihrem ganzen Wesen waren und jeden Augenblick bereit den kindischen Flitter fortzuwerfen, sobald es sich um ernste Dinge handelte.

Auch fand sie, daß keineswegs ihr Geschmack am wahren Schönen verdorben war, wenn sie in guten Stunden ihre reichen Mappen aus­schloß und die Mädchen einen Blick in ihre Kunstschätze thun ließ.' Sie hatte dies, in der Meinung nicht gewürdigt zu werden, bisher noch nie­mals gethan. Jetzt aber zeigte sie ihnen die poetischen Darstellungen des lieben Richter, in welchen die Dorfkinder die Freuden und Leiden des eigenen, einfachen Lebens so lieblich verklärt wieder fanden sie schloß ihnen die große und himmlische Welt Michel Angelo's und Raphael's auf Fiesole's Engel lächelten sie an und die Madonnen unserer alt­deutschen Meister zeigten ihnen das keusche, reine Mutterantlitz.

Wie horchten die jungen Mädchen auf, wenn ihnen die Künstlerin von dem Leben der großen Meister der Vergangenheit und der Gegenwart erzählte, und wie leicht vergaßen sie die Carricaturen des Modejournals über den Bildern, die sie ihnen zeigte! Braucht es bei manchen Augen