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doch nur des Anblicks des Schönen, daß sie sich auf immer von dem Häßlichen, dem Eitlen und Gemeinen abwenden.

Und als nun der Liebling des Hauses, die junge Lehrerin, mit einem glänzenden Zeugniß aus dem glücklich überstandenen Examen eines Tages ankam, da ging, wie es die Mutter verheißen hatte, wirklich ein neues, fröhliches Leben in dem kleinen Kreise an. Mercedes fand, daß die mütterliche Liebe nicht übertrieben hatte. War die blonde Elsbeth gerade auch keine Elisabeth, die ja für sie nur einmal auf der Welt sein konnte, so war sie doch ein Wesen voll origineller Frische und Ursprünglichkeit, und der Blick ihrer unschuldigen Augen that der Traurigen wohl, wie .der Trunk aus einer reinen, klaren Bergquelle. Das junge Mädchen aber schloß sich bald mit schwärmerischer Liebe an die sanfte Mercedes an und zeigte das frischeste Verständniß für Alles, was sie ihr geben konnte aus dem Schatze einer feinen, wohlgeordneten Bildung.

Schnell hatte die wißbegierige Kleine die reiche Bibliothek der Ma­lerin ausfindig gemacht, welche diese selbst wenig benutzte; denn Maler blicken lieber in das Leben und die Natur, als in die Bücher. Jetzt aber war es doch Mercedes ein wahres Labsal, wenn Elsbeth mit ihrer klaren, jugendlichen Stimme und dem durch einen guten Unterricht gebildeten Vortrag eines der schönen Werke unserer neuen Schriftsteller, die hier­nach völlig unbekannt waren, in dem hochaufhorchenden Abendkreise des Hauses vorlas. Da sahen sie Hebbels Niebelungen in ihrem prächtig grausigen Glänze vorüberziehen, hörten Otto Ludwigs Mac- cabäer mit Jehovah's Siegesgesang sich jauchzend in die Flammen des Todes stürzen. Wie an Richters Bilderalbum, erfreuten sie sich an Au er - bachs ernsten, an Fritz Reuters lieblichen Novellen. Sie wurden staunend gewahr, welche großen Dichter auch unsere Zeit hervorgebracht, in der freilich auch die Mode ihren Einfluß ausübt, daß die echten und bedeutenden oft weniger bekannt sind als die Schaumperlen, die sie zu Markte bringt und die der Menge am besten gefallen.

Mercedes aber hatte recht ihre Freude an dem lebhaften Eindruck, den jene schönen Dichtungen auf die jungen, unbefangenen Dorfkinder machten. Das war ein Boden, wie ihn der Dichter liebt, noch nicht übersättigt, noch nicht verdorben von schlechten Stoffen; .es keimte und sproßte wie in einem frischen Blumenbeet, auf welches die ersten Strahlen eines neuen Lenzes fallen. Da die kleine Lehrerin auch die alte Edda unter Mercedes' Büchern herausgestöbert hatte, so kam sie auf den Ge-