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Als das Kartenspiel und die Bauhölzchen nicht mehr die lebhafte Unterhaltung boten, kamen Bilderbücher an die Reihe und da mußte Mercedes wieder erstaunen, wie der Knabe diese Bilder zu zeigen und zu erklären verstand. Es war ihr fast, als höre sie Elisabeth's Weise mit Kindern zu sprechen, und das hatte gewiß seine Nichtigkeit. Die alte Großmutter hatte sich manches Sprüchlein, manches Wort gemerkt, womit einst Elisabeth ihre Kinder belehrt und es war wie eine liebliche Tradition auf die Enkel übergegangen.

Auch das Frühstück verzehrten die Kinder unter unmuthigem Geplauder in der größten Eintracht zusammen. Die sonst so egoistische Kleine hatte sogar großmüthige Anwandlungen, in welchen sie ganze Brocken ihres Butterbrodes in den breiten Mund ihres Kameraden steckte. Zuweilen kam Elsbeth hereingehuscht, die Unterhaltung der Kinder anfeuernd und sich höchlich über die Frucht ihres guten Rathes freuend. Als die Däm­merung kam, da konnte Mercedes ihrem Liebling das ganz fertige Kinder- figürlein zeigen, das sie heute nach dem gezähmten Modell gemalt und das in den frischesten Farben und mit dem lebendigsten Ausdruck kind­licher Fröhlichkeit auf der Staffelei stand.

Die Kleine ging ohne Geschrei an der Hand des neuen Freundes aus dem Atelier nach Hause und auch Kaspar war überglücklich; die Malerin hatte ihm nicht nur ein blankes Geldstück in ein Papier gewickelt, sondern auch eine Menge andere gute Dinge als: Bretzeln, Aepfel u. s. w. dazugegeben und er wußte alles auf die geschickteste Weise in den Nock- und Hosentaschen unterzubringen, obgleich dieselben nicht von besonderer Weite und haltbarem Stoffe waren. Die meiste Freude aber hatte er über eine Photographieder Jungfer Betty," welche ihm Mercedes für die Großmutter mitgab.Die wird sich freuen!" dachte er und mit seinen schiefen Beinchen lief er wie ein Windspiel durch den Schnee, in der freudigen Hoffnung den Seinigen heut einen Festabend zu bereiten.

Als Mercedes bei der Abendversammlung mit ihren Freunden von der heutigen köstlichen Eroberung des kleinen Besänstigers für ihre Mo­delle erzählte, freuten sich alle mit ihr. Maria, welche die meiste Bekannt­schaft mit den Bewohnern des Dorfes und der Umgegend hatte, sagte: Ja, Mercedes! da hast Du Dir wirklich einen Schatz gewonnen. Ich kenne den kleinen Kaspar aus den Erzählungen der Nachbarsleute, wie aus eigener Wahrnehmung und habe schon lange mein Wohlgefallen an ihm gehabt. Er ist ein geborener Oekonom, aber dabei gar kein