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Stadt gegangen war, entgegengehen wollen und ist nicht wieder gekommen. Gewiß hat er sich in den Bergen verlaufen und ist im Schnee stecken geblieben er war so ein hübscher Junge noch keine neun Jahre alt! Die Nacht war so kalt, er ist gewiß erfroren! Ach, hören Sie! da wird er schon im Dorfe ausgeschellt!"

Großer Gott!" rief Mercedes, indem sie schon mit der Erzählenden die Treppe hinunter eilte. Frau Bergheim und die Mädchen lagen mit bleichen Gesichtern in den offenen Fenstern und hörten dem schauerlichen Bericht desAusrufers" zu, der von Straße zu Straße seine schillernde Glocke durch die kalte Winterluft zu einem Hilferuf des verlorenen Kindes tönen ließ. Alle Thüren öffneten sich, Jung und Alt, Frauen, Männer und Kinder stürzten heraus und bald stand eine große Schaar zum Auf­suchen des verlorenen, kleinen Dorfbewohners gerüstet.

Wir müssen auch mit!" rief Mercedes, und ohne auf die Einwen­dung ihrer besorgten Freundin zu hören, war sie schon auf ihre Stube geeilt und hatte den Mantel um die zarte Gestalt geworfen und das feine Gesicht mit Kapuze und Schleier verhüllt. Elsbeth war schnell an ihrer Seite, bald fand sich auch der kleine Kaspar ein und schritt, mit einem knorrigen Dornenstab in der Hand, seinen beiden Gönnerinnen voran. So schloffen sie sich an den Zug der Männer, die staunend auf die zarten Jungfrauen blickten.Ich kenne alle Schlupfwinkel in unseren Bergen," versicherte Elsbeth und Mercedes tröstete:Ich habe Glück im Finden." Auf diese Verheißungen wurden sie schützend und beschützend wie zwei liebliche Engelsbilder in die Mitte der kräftigen Schaar genommen und nun ging es in die schauerliche Wintereinsamkeit der Berge hinein.

Es war ein schweres Suchen durch den kalten, tiefen Schnee, über die ungebahnten Pfade und steilen Felsenhöhen, zwischen welchen gefrorene Bäche sie mit kaltem Lächeln anstarrten. Mercedes schauerte oft zusammen, doch sie hielt sich und redete der zarten Elsbeth Muth ein, wenn sie zusammenbrechen wollte, der kleine Kaspar war nicht zu ermüden.

Man hatte den Zug wohlgeordnet und vertheilt, von Zeit zu Zeit gab man sich Zeichen durch lautes Rufen, Knallen mit den Peitschen und das Blasen der Kuhhörner, deren Töne das dumpfe Echo der Berge weckten. So verging der Tag, der Abend kam und man hatte nicht den kleinsten Fußtritt des verlorenen Kindes im Schnee gefunden. Der Vater, der wie ein Held rüstig und schweigend dem Zuge vorangeschritten war, brach in trostlosem Jammer zusammen. Vierzehn Tage lang