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wiederholten sich ähnliche Scenen im Dorf, schallte die hilserusende Glocke durch den Morgen, versammelten sich muthige Schaaren zu neuen, ver­geblichen Zügen. Eine große Trauer hatte sich über das ganze Dorf gelegt, aus keinem Hause hörte man mehr fröhliches Singen und Lachen, die Eltern des Verlorenen gingen wie Jammerbilder umher. Wenn Sonntags der Prediger in der Kirche sein Gebet für das verlorene Kind erhob, ging ein lautes Schluchzen durch die ganze versammelte Gemeinde und Jeder faltete seine Hände und flehte um Trost für das Weh, das sich wie ein schneidendes Schwert in ein Vaterherz, in eine Mutterbrust gesenkt hatte.

In dieser Zeit war Mercedes in Wahrheit ein Mitglied des Dorfes geworden. Sie trug einen gemeinsamen Schmerz mit seinen Bewohnern, sie lernte recht aus Herzensgrund sie schätzen und lieben. Wie gern vergab sie ihnen ihr schwerfälliges Wesen, nun sie sah wie es austhauen, auf­flammen konnte in der Bereitwilligkeit zu helfen und mit zu leiden, wo Einer der Ihrigen litt, wie sie alle Arbeiten und ihren Lohn hinwarfen und nichts wollten und dachten als die Rettung des verlorenen Kindes.

Dieses aber schien spurlos verschwunden; hier und da tauchten Gerüchte auf von seinem Erscheinen an anderen Orten, aber sie erwiesen sich alle als grundlos. Endlich, als die linden Märzlüfte das Eis der Bäche und Ströme anfingen zu lösen und die umpanzerten Pfade frei wurden, da fand man die Leiche des Kleinen zwischen den Weiden des tiefen Stromes, der das Dorf umfloß und dort durch eine dunkele Bergschlucht brauste. Ohne Zweifel war er von einer Brücke herunter­gestürzt, unter dem Eise fortgetrieben worden, bis er unter den schützenden Weiden sein letztes Schlafkämmerlein fand. Die Züge seines Gesichtes waren vielleicht nur den Eltern noch kenntlich, aber die Gestalt und den Anzug erkannte Jeder, der den Verunglückten an jenem Wintertag noch so fröhlich durch das Dorf hatte springen sehen.

Im feierlichen Trauerzug trug man die kleine Leiche in das Grab und überschüttete es mit den ersten Zweigen des frühgekommenen Lenzes. Auch Mercedes schloß sich mit den Ihrigen dem Zuge an und hernach ging sie zu den betrübten Eltern und bat um die Erlaubniß ein kleines Denk­mal für den verlorenen Liebling anfertigen zu dürfen.

Sie hatte wohl noch niemals ein reicheres Honorar empfangen, als in den Thränen der Mutter, die auf die Hand fielen, welche das liebliche Erinnerungszeichen gemalt. Auf einer hölzernen Tafel, wie die Dorf-

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