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Mercedes umarmte die Freundin.Ja, ich habe sie von ganzem Herzen lieb und das haben sie Dir zu danken und ich auch! Du hast doch Recht gehabt!"

9. Der Künstlerin Abschied.

Es war ein Heller, frischer Sonntag im schönen Monat September, als das Atelier der Künstlerin für die Bewohner des Dorfes geöffnet stand, um die beiden Bilder zu sehen, welche sie während ihres Aufent­haltes bei ihnen gemalt hatte. Sie wollte ihnen diese Freude machen, ehe sie wieder in die Künstlerstadt zog, die doch ihre eigentliche Heimath war, denn ein Maler kann nur mit seinen Genossen auf längere Zeit leben und in seinem Berufe eingreifend wirken.

Aber der Aufenthalt in dem wirklichen Gebiete ihrer Kunst hatte doch der Künstlerin in jeder Weise wohl gethan und sie bedeutend gefördert. Es waren zwei prächtige Bilder, die sie zustande gebracht, sie trugen das volle Gepräge des wahren, wirklichen Lebens und keins ihrer früheren Werke konnte sich mit ihnen vergleichen.

Freilich, es waren keine hellenischen Gestalten, die da in dem Sonntagmorgen" ihres Bildes, durch die ländlich geschmückten Sieges­pforten den Pfad zu der kleinen gothischen Kirche herauf wallten. Es waren nur schlichte Bauern, derbe Jünglinge und Mädchen in der Landes­tracht, deren einzige Eigenthümlichkeit in ihrer einfachen Ehrbarkeit bestand, welche mit Strauß und Band geschmückt- sich so freudig zunickten, als jubelte es in ihren Herzen:Wir waren auch dabei! Wir haben auch mitgekämpft und gearbeitet, damit das Vaterland frei würde!" Es waren von Arbeit und Alter gebückte Männer- und Frauengestalten, die an Stab und Krücke, oder von ihren Kindern geleitet, unter der blühenden Dorfjugend einherschritten, um ihr Dankesopfer auf Gottes Altar für seine allmächtige Hilfe an dem großen Werke niederzulegen. Doch der Glanz von Andacht und Freude, der über all' diese ehrlichen Gesichter leuchtete, der kam aus einer Welt, wo wir uns Alle zusammen gleich und verbunden fühlen, wo eine Schönheit blüht, die dem schlichtesten Bewohner dunkeler Gebirgshütten so eigen sein kann, wie jenen Gestalten in Griechen­lands sonnigen Gefilden, die Apelles' Pinsel gemalt und Phidias' Griffel verewigt haben. Es war die Schönheit der Seele, welche jede Form verklärt und auf diesem Bilde den Beschauer doppelt anmuthete, denn es war die Siegesfreude des deutschen Gemüthes, welches sie hervor-