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Da nun Veiten ein täglicher Gast im Hause war, so konnten ihm bei dem nahen Verhältniß, in dem er zu Lucie stand, natürlicherweise auch ihre Fehler nicht verborgen bleiben. Mit großer Zärtlichkeit suchte er sie darauf aufmerksam zu machen, daß sie sich einer größeren Pünklichkeit und Ordnung befleißigen müßte; allein Lucie erklärte, sie wolle sich nicht in einen Perpendikel verwandeln lassen, der sich regelmäßig immer nur in ein und demselben Takte bewegt, und ihr lieber Veiten dürfe nicht daran denken, sie, gleich seiner goldenen Repetiruhr, alle Morgen zur bestimmten Stunde aufziehen zu wollen. Das fröhliche Lachen, mit dem sie diese Antwort begleitete und in welches Veiten wider seinen Willen mit ein­stimmen'mußte, und der herzliche Kuß, mit dem sie ihren Satz vollendete, schloß zwar dem liebenden Bräutigam den Mund allein keineswegs für immer. Mit Sorge erkannte er in Lucie's leichtem Sinn die Aehn- lichkeit mit ihrem Vater und fürchtete die ernsten Folgen für die Zukunft. War Herr Bornholm doch ein liebenswürdiger Mann, von ehrenhafter Gesinnung gewesen und dennoch hatte sein unverzeihlicher Leichtsinn Frau und Tochter in die drückendste Lage versetzt, hatte in die Rechte fremder Menschen eingegriffen, in solcher Weise, daß sein guter Ruf vielleicht nicht mehr zu retten gewesen wäre, wenn er noch einige Zeit die verschwenderische Lebensweise fortgesetzt hätte, der sein früher Tod ein Ende machte.

Mitunter gab Lucie's Unordnung auch zu komischen Scenen Ver­anlassung. So hatte sie z. B. eines Tages einen Napfkuchen zum Kaffee gebacken. Mit fröhlichem Stolze rühmte sie, wie wohl er gerathen sei und suchte Veltens Erwartung darauf recht hoch zu spannen. Als aber nun der dampfende Kaffee auf dem Tische stand war der vielgepriesene Kuchen gar nicht zu finden! Mit kläglicher Miene versicherte Velten, er habe sich zu Mittag nicht satt gegessen, um nur recht vielen Appetit zu dem herrlichen Gebäck seines Bräutchens zu bewahren und nun werde er wohl gar mit einer- trockenen Semmel abgespeist werden! Zum Glück erschien in diesem Augenblick die Putzmacherin, welche an Frau Bornholms Staatshaube etwas ändern sollte; Frau Bornholm öffnet ihre Schachtel aber welche Ueberraschung, als statt der blaubebänderten Blondenhaube der herrlich duftende Napfkuchen zum Vorschein kam, den Lucie zum Schutz gegen die Fliegen dort hineingelegt hatte, während sie die Haube hinter die Bett-Gardine ihrer Mutter verbarg.

Aber viel öfter bereitete Lucie sich Verdruß durch ihre Nachlässigkeit und verdarb sich manche frohe Stunde. Eines Abends, unter andern,