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sich dazu nicht ausreichend, und die Folge davon war, daß Frau Born­holm das Haus verlassen mußte, welches sie bisher das ihrige genannt hatte und daß sie nur den kleinsten Theil der darin enthaltenen schönen Möbel und Sachen mitnehmen durfte. Nur durch den rastlosen Eifer und die verständige Vermittelung des Rechts-Anwalt Velten eines jüngeren Freundes des verstorbenen Bornholm kam ein Vertrag mit den Gläubigern zustande, nach welchem Frau Bornholm bis zu ihrem Tode ein mäßiges Jahrgeld gesichert wurde. Frau Bornholm war durch große Kränklichkeit verhindert die Leitung ihres Hauswesens selbst zu übernehmen. Lucie übernahm dieselbe halb spielend. Es schien ihr diese Beschäftigung jetzt, da ihr gesellschaftliche Vergnügungen nicht mehr zu Theil wurden, eine nicht unwillkommene Zerstreuung zu bieten; daß sie aber damit zugleich eine Pflicht übernahm, kam ihr nicht in den Sinn Sie that eben nur immer das, wozu sie Lust hatte, oder was der Augen­blick gerade dringend forderte. Bei dem gänzlichen Mangel einer ver­nünftigen Eintheilung ihrer Zeit und Geschäfte konnte es nicht fehlen, daß manche Unordnung vorkam. Frau Bornholm war nicht blind dafür und ließ es an freundlichen Erinnerungen nicht fehlen, Lucie begnügte sich aber stets damit das augenblicklich Vergessene oder Versäumte nach­zuholen und die nachsichtige Mutter war nur zu leicht zufriedengestellt.

Von den zahlreichen Freunden, welche in den Tagen des Wohl­ergehens in dem Bornholm'schen Hause aus und ein gingen, war Velten nunmehr der einzige, welcher Frau Bornholm und ihre Tochter nicht vergessen hatte. Seine Besuche brachten Leben und Freude in die stille kleine Wohnung; sie waren der Mutter und der Tochter gleich willkommen und wurden ihm selbst bald ein liebes Bedürfniß. Wenn er den Tag über der Pflicht und Arbeit gelebt hatte, that es ihm so wohl Abends an dem gemüthlichen Theetisch der Frau Bornholm auszuruhen. Kaum wußte er, ob es die ernste Unterhaltung der Mutter, oder das heitere Geplauder Lucie's war, das ihn so mächtig anzog, aber das fühlte er, daß er hier heimisch war und bald erwarb er sich das Recht, sich Sohn des Hauses nennen zu dürfen, indem er sich mit Lucie verlobte. Frau Bornholm gab mit Freuden ihre Einwilligung zu dieser Verbindung, welche ihr geliebtes Kind unter den Schutz eines Mannes stellte, den sie eben so hoch achtete, als herzlich liebte. Es sollte aber noch einige Zeit vergehen, ehe das Bündniß die eheliche Weihe erhielt, denn zuvor mußte in den äußeren Verhältnissen Veltens noch Manches geordnet werden.