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Alle mannigfaltig, und Fräulein Waldmeister hat mir gesagt, daß Du es sehr bereuet hast."

Das habe ich gethan," versicherte Aurelie,und ich werde es immer bereuen. Ach Gretchen, es war so schlecht von mir! Sieh, ich habe eine einzige Schwester, meine gute Antonie, die ist bei einer bösen Tante, denn wir haben keine Eltern mehr und es geht ihr dort sehr traurig. Nun war ihr Geburtstag vor der Thür und ich wollte ihr so gern eine Freude machen. Da war ich einmal allein in der vierten Stube und ich sah, wie eine Kommodenschublade aufstand und sich darin mehrere Tafehr Chokolade und eine ganze Menge Geld befanden. Da dachte ich, wenn ich 5 Silbergroschen hätte, könnte ich für meine Schwester einen Kragen sticken, und Chokolade ißt sie so gern. Zum Ersten mußte ich Taschengeld bekommen, da konnte ich das Geld wieder hineinlegen und eine Tafel Chokolade auch; ich dachte, es würde nicht entdeckt werden und ich würde es heimlich wieder in die Kommode legen können, ich überlegte,in dem Augenblick nichts weiter. Ach Gretchen, es war so sehr unrecht von mir! Von der Zeit an wurde ich stets von einer fürchterlichen Angst gepeinigt, und als es dann herauskam, o das war schrecklich, aber es war mir doch eine Erleichterung, daß die Last von meiner Seele war. Als Tante Anna mit mir darüber sprach, sah ich gleich Alles ein. Hätte ich ihr nur meine Wünsche offen ausgesprochen, sie würde sie mir erfüllt haben, und ich hätte meiner Schwester eine Geburtstagsfreude machen können und wäre keine Diebin geworden. Tante Anna hat es mir verziehen, sie, die ich bestohlen habe, auch, und ich glaube, der liebe Gott hat es mir auch ver­geben, ich habe so viel darum gebetet. Aber nun mögen die Andern mich nicht mehr leiden, ich habe keine einzige Freundin mehr. Ich kann's ihnen ja nicht verdenken, aber ich bin oft so sehr traurig, ach, ich werde es nie, nie vergessen können."

Aurelie weinte schmerzlich und auch Gretchens Augen hatten sich mit Thränen gefüllt.Weine doch nicht so, liebe Aurelie," sagte sie herzlich, es ist ja nun Alles wieder gut und die Andern werden es auch gewiß bald vergessen. Ich möchte wohl Deine Freundin sein," setzte sie leise hinzu.

Aurelie blickte sie mit dem Ausdruck rührender Liebe und Dankbarkeit an.O ich danke Dir," schluchzte sie,das verdiene ich nicht, aber ich will mich bemühen Deiner Freundschaft würdig zu werden, ich will Dich sehr, sehr lieb haben."