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sie der Stunde, in der sie zuletzt das Lied zu Hause gesungen.O, Mama!" rief sie unwillkürlich und ihre Thränen strömten.' Doch sie faßte sich wieder und spielte weiter, allmählich fühlte sie sich getröstet, so spielte sie nun einen nach dem andern von den ihr bekannten Chorälen und mit jedem wurde ihr leichter um das Herz.

Als es klingelte, schloß sie das Klavier und eilte nach der Thür. Sie hatte den Streich, der ihr gespielt worden, ganz vergessen, aber die Drei hatten ihn auch vergessen und kamen nicht, um ihr die Thür zu öffnen. Gretchen klopfte und rief, aber augenblicklich war im Korridor ein solches Gelaufe, daß Niemand sie hörte; sie gerieth in große Angst und weinte bitterlich.

Schon war es ganz still auf dem Korridor, da hörte sie wieder Tritte die Treppe heraufkommen. Sie rief und klopfte wieder und diesmal mit Erfolg, die Thür wurde geöffnet und Elise stand vor ihr.Mein Himmel, Gretchen," rief sie staunend,wer hat Dich hier eingeschlossen?"

Einige von den Andern," erwiderte Gretchen ihre Thränen trocknend.

Das ist abscheulich!" rief Elise,und Ihr habt heute noch dazu Fräulein Waldmeister, die läßt Euch eine Weile an der Thür stehen, wenn Ihr zu spät kommt."

Gretchen war wie gelähmt vor Schreck bei dieser Nachricht.Ach, was fange ich nur an?" sagte sie verzweifelt.

Du mußt es ihr sagen, daß sie Dich eingeschlossen haben," erwiderte Elise;übrigens beim ersten Mal hast Du nichts zu fürchten. Soll ich mit Dir gehen und Dich entschuldigen?"

Das lehnte Gretchen ab, und so ging sie nun eilig nach der dritten Stube. Sie trat sehr zaghaft ein und fürchtete den Befehl zu erhalten, an der Thüre stehen zu bleiben. Da dieser aber nicht erfolgte, begab sie sich schnell an ihren Platz und nahm ihre Bücher vor.Daß Du Dich nicht unterstehst etwas zu klatschen!" flüsterte Adele ihr sogleich zu.

Liebes Kind," sagte Fräulein Dolfy nach einer kleinen Weile,Du mußt Dich hier zuerst recht an Pünktlichkeit gewöhnen, und wenn es klingelt, mußt Du immer auf der Stelle kommen!"

Gretchen wurde dunkelroth, die Worte waren sehr freundlich gesprochen, aber sie erschienen ihr doch wie ein Tadel, und das schmerzte sie sehr. Muß es mir gleich in den ersten Tagen so schlecht gehen? dachte sie und öffnete die Lippen, um ihr Ausbleiben zu erklären. Da begegnete sie Emma's ängstlich gespanntem Blick und schwieg.