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gelingen." So sprachen sie noch lange zusammen, und als es endlich Zeit zum Abschiednehmen war, schien es Gretchen noch viel zu früh. Aber als die Mutter sie mahnend anblickte, da lächelte Gretchen ihr unter Thränen zu und sagte:Ich will mich recht zusammennehmen, Mama, ich muß der guten Tante dankbar sein für diese Freude, und das wäre ich nicht, wenn ich jetzt den Kopf hängen ließe."

Noch eine Freude wurde ihr zu Theil. Ihre Mutter fragte, wie Tante Anna mit ihr zufrieden sei, und Tante Anna erwiderte gütig: Gretchen gehört bereits zu den besten Schülerinnen der Anstalt."

Gretchen erröthete tief und nahm sich vor, dies Lob immer zu ver­dienen und mit jedem Tage gehorsamer, fleißiger und aufmerksamer zu werden.

Martha hatte ihrer Schwester eine Schachtel voll Chokoladenkuchen, welche Emmy für sie gebacken hatte, mitgegeben, und die wurden am nächsten Tage gemüthlich in der dritten Stube verzehrt. Nur Emma dankte, als Gretchen ihr die Schachtel reichte, worüber Jda sich sehr ärgerte.Die Kuchen sind wohl nicht gut genug für Deinen zarten Ma­gen?" fragte sie spöttisch.

Gleich darauf trat Tante Anna ein und bemerkte sofort, daß Emma nicht mit. Johanna sagte ihr, daß Emma keinen Kuchen gewollt habe. Warum denn nicht?" fragte die Tante.Emma, Du bist doch sonst, wie ich weiß, eine große Freundin von Chokolade und allem, was daraus besteht."

Emma ist zu stolz, um etwas von Gretchen anzunehmen!" rief Adele.

Wenn das der Fall ist," sagte Tante Anna ruhig,so wird sie dies Gefühl überwinden können. Gretchen, wenn Du ihr die Kuchen noch einmal anbietest, wird sie gewiß einen nehmen." Gretchen beeilte sich, dem Wunsche zu entsprechen, und Emma nahm mit einem kühlen Danke einen Kuchen. Sie that es freilich sehr ungern, wagte aber doch nicht, einem Winke von Tante Anna ungehorsam zu sein.

Gretchen hatte ihren Auftrag, für ihre Stubengenossinnen eine Ein­ladung zum Thee zu erbitten, sehr bald ausgeführt. Tante Anna trat eines Tages in die Handarbeitsstunde und sagte in scherzendem Tone: Nun, meine Lieben, Ihr habt Euch also darüber beklagt, daß Ihr so lange nicht zu mir eingeladen wurdet?"

Es entstand erst ein etwas verlegenes Schweigen, dann sagte Jo­hanna:Es hat uns traurig gemacht, weil wir wohl wußten, warum wir keine Einladung erhielten."

T.-A. XX.

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