431

Maria hielt sich anfangs zurück, bald aber, ach, nur zu bald waren die guten Vorsätze und die Bitten der Mutter vergessen: Maria flog mit im Reihen bis über Mitternacht. Und als man endlich nach Hause gehen sollte, zogen alle mit Musik über die Straße und über den Kirchhof, wo der helle Mond die weißen Steine und Kreuze beschien.

Die kranke Mutter hörte aus der Ferne die Musik, und da Maria noch nicht nach Hause gekommen war, so machte sie sich aus dem Bette, um die leichtsinnige Tochter heim zu holen.

Als die Mutter sah, wie Maria mitten unter den Tanzenden herum­flog, da war es ihr, als dränge ein scharfes Messer durch ihr Herz, und sie rief klagend der Tochter zu:Maria, unglückliches Kind, willst Du denn ganz verloren gehen? O komme doch mit mir nach Hause!"

Die leichtsinnige Tochter aber sprach:Ach, der Mond scheint noch so hell, und es ist noch so schön hier! Laß mich noch einen Augenblick, dann komme ich gleich."

Wie so die jammernde Mutter ihre Bitte und Klage unbeachtet sah, da rief sie verzweiflungsvoll zum hellen Monde aufschauend aus:O daß Du leichtfertiges Kind oben im Monde säßest und müßtest spinnen bis an den jüngsten Tag!"

Kaum hatte die Mutter das gesprochen, da fuhr Maria mit ihrem Spinnrads sausend aus dem Kreise der Tanzenden empor in der Luft über den Kirchthurm hinaus und weiter und weiter bis in den Mond. Da sitzt nun heute noch die ungehorsame Maria im Monde und muß spinnen und spinnen bis an den jüngsten Tag, und die Fäden fallen an sonnigen Tagen des Herbstes herunter und fahren durch die Luft, und das Volk nennt sieMariengarn" und singt:

In dem Mond',

In dem Mond'

Sitzt sie mit dem Rädchen,

Spinnt und spinnt.

Spinnt und spinnt Ei wie zarte Fädchen!"