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im Gegentheil ein sehr häßliches Gewächs, welches Ihr aber alle nicht kennt. Hier ist es." Sie reichte mich den andern Kindern hin, welche, als sie mich anfaßten, sich an mir-stachen, dabei aber laut lachten über das häßliche kleine Ding.Es sieht ja aus wie ein dünnes Würstchen mit Stacheln! Wie kann das jemals hübsch sein?" rief eins der Kinder aus.Es blüht wunderschön, obgleich es jetzt so häßlich ist; meine Mutter, die, wie Ihr wißt, einmal Kammerjungfer war bei einer vor­nehmen Dame, hat mich neulich zu ihrer früheren Herrschaft hingeführt. Da standen im Vorzimmer viele schöne Blumen, auch so ein blühender Cactus, und sie hat ihn mir gezeigt und mir erklärt, daß jedes dieser kleinen Würstchen, wie Ihr es nennt (die aber an dieser Pflanze das sind, was die Zweige an einer andern), wieder ein großer Cactus werden kann, wenn man es von der Pflanze ablöst und in die Erde steckt. Nun möchte ich gar zu gerne einen solchen Cactus besitzen, ich werde dieses der Mutter zeigen, vielleicht wird doch noch etwas daraus." Die andern Kinder lachten noch immer über Jda's Vorliebe für das unansehn­liche Ding, welches sie in der Hand hielt und das nicht länger war wie ein Finger. Jedes von ihnen hatte irgend eine Blume erwischt und der Gärtner, der ihnen gutmüthig lächelnd zusah, warf ihnen noch ein paar Blumen hinaus, mit welchen sie triumphirend nach Hause liefen. Jda hatte sich mit mir begnügt und als sie nach Hause kam, mich ihrer Mutter gezeigt, welche ihr einen Blumentopf und Erde verschaffte und ihr auch ein kleines Glas brachte, indem sie sagte:Setze Deinen Ableger in diese Erde ein und dieses Glas darüber, dann wird er um so schneller Wurzel fassen; stelle ihn in die Sonne, begieße ihn nicht zu oft, er wird gewiß mit der Zeit noch hübsch werden!" Jda war ein sehr verständiges Mädchen, welches sich immer freute, wenn es etwas vom Untergänge retten konnte. Obgleich sie erst zwölf Jahr alt war, half sie ihrer Mutter schon recht viel in der Wirthschaft und wußte namentlich Alles recht hübsch ordentlich zusammenzuhalten; sorgsam flickte sie ihren Geschwistern die zerrissenen Kleider und wartete damit nicht etwa bis die Löcher recht groß wurden, sondern befolgte die Lehre ihrer Mutter, welche immer sagte, daß ein Stich zur rechten Zeit mehr nütze, als viele Stiche, wenn man zu lange damit warte. Wenn das alle kleinen Mädchen bedenken wollten, so würden sie ihren Eltern viel Geld und Mühe ersparen können. Weil nun also Jda sich immer sehr freute, wenn sie etwas erhalten konnte, was andere Kinder als verloren aufgaben, so machte sie sich auch nichts dar-