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aus, daß ihre Geschwister beständig lachten über mich häßlichen Cactus, und wenn sie gefragt wurde:Nun, Jda, was macht Deine schöne Blume?" antwortete sie ruhig:Wartet nur ein Jahr." Ein Jahr ist eine lange Zeit für ungeduldige Leute, die nicht wissen, daß eben die Zeit so viele Blüthen treibt, welche weder die Wünsche noch Anstrengungen der Menschen hervorbringen können. Nach einem Jahr war ich nicht nur sehr gewachsen, sondern hatte auch sogar eine Blüthe angesetzt, aber ich war immer noch zu unbedeutend, um die Spötter zu befriedigen, welche nach wie vor über Jda's Vorliebe für einen häßlichen, stacheligen Cactus lachten. Jda verlor indessen die Geduld nicht, sie hatte sogar einen Plan gemacht, wie ich zu großen Ehren gelangen sollte, denn sie sagte: Man kann jede Pflanze ver­vollkommnen durch gute Pflege und Ausdauer. Dieses kleine häßliche Ding, welches ich vom Untergänge gerettet habe, scheint mir meine Sorg­falt lohnen zu wollen, so soll es denn auch, wenn es recht große und viele Blüthen treibt, von allen Menschen bewundert werden. So ver­ging noch ein Jahr. Es war in dem Städtchen, wo sich dieses zutrug, alljährlich eine Blumenausstellung und jeder, der ein oder mehrere schöne Gewächse besaß, konnte dieselben hinschicken. Es wurden auch Preise vertheilt an diejenigen, welche es durch Mühe und besondere Pflege der Blumen dahin gebracht hatten, daß sie ein ausgezeichnet schönes Exemplar von irgend einer Gattung liefern konnten. Das Glück war Jda günstig, ich hatte mehrere prachtvolle, dunkelrothe Blüthen getrieben, die gerade in den Tagen, wo die Ausstellung stattfand, aufblühten, und wie ich so zwischen Rosen, Camelien, Nelken, Geranien und andern stolzen Blumen meinen Platz einnahm, da stand Jda vor mir mit Thränen in den Augen und freute sich ihrer Ausdauer, durch welche ich allein so reizend geworden war. Der Gärtner, welcher die Blumen aufgestellt hatte, war ganz ent­zückt von mir und lobte Jda für das, was sie gethan; es machte ihm auch ein besonderes Vergnügen mich so zu stellen, daß von meiner häß­lichen Pflanze wenig zu sehen war und nur meine schönen Blüthen her- vorsahen zwischen den Blättern der neben mir stehenden Blumen. Ich war umgeben von Camelien, die mit ihren dunkeln glänzenden Blättern meine Schönheit erhöhten. Daß Jda einen Preis, bestehend in einer kleinen Geldsumme, für mich erhalten würde, war nicht nur gewiß, son­dern es stand auch zu erwarten, daß ich gut bezahlt werden würde, falls sie Lust haben sollte mich zu verkaufen, denn von den Personen, welche die Ausstellung besuchten, kauften zuweilen einige von den Blumen, welche