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nisse einzumischen; dann und wann erlaubte er sich wohl im Allgemeinen Bemerkungen über die Anforderungen, die Gott an die Menschen mache, daß Zeit, geistige Gaben und irdische Güter nicht zum Verschwenden ver­liehen seien, daß man Rechenschaft abzulegen habe von der Verwendung derselben; aber er wurde nicht verstanden, man nannte ihn nur einen gut­müthigen Menschen, der sich das Leben unnöthiger Weise schwer mache und sich auf die fromme Seite neige.

Herr von Felsen sah nicht ohne Sorge der Zeit entgegen, in welcher seine Tochter bei ihm leben würde, er wußte ja, daß sie mit der jüngsten der Alt-Neudorfer Töchter in enger Verbindung stand. Er konnte keine Mauer aufrichten zwischen Gertrud und den drei jungen Schwestern, die ihr schon mit Freude entgegensahen, er dachte auch: Schützen vor üblen Eindrücken kann man ein erwachsenes Mädchen nicht immer, dasselbe muß freilich auch die Welt sehen mit ihren Licht- und Schattenseiten; aber man kann Eins thun, man kann ihren Blick schärfen, damit er Recht und Un­recht erkenne, man kann warnen und einen Weg zeigen, eine Richtung geben.

Als Gertrud's Heimkehr bestimmt war, schrieb sie ihrem Vater, den sie zärtlich liebte, daß sie sich unendlich freue ganz bei ihm zu leben, und sie wolle ihm eine gehorsame Tochter sein und möglichst ihm die verstor­bene Mama ersetzen durch Liebe und Pflege. Der Gedanke, daß die alte Tante mit ihr in das Vaterhaus einziehen solle, freute sie nicht gerade, sie kannte sie kaum und hatte auch eigentlich schon etwas von Allein­herrschaft im Hause geträumt; sie wagte indessen nicht Unzufriedenheit blicken zu lassen, bat nur um ein abgesondertes kleines Reich, um eine besondere Stube. Diese Bitte wurde gern gewährt, Gertrud sollte ihr kleines Reich haben, der Vater sorgte dafür, es gemüthlich für sie, aber auch in seinem Sinne auszustatten. Als Gertrud ankam, war es am Vorabend ihres Geburtstages, sie wurde noch in ihr ehemaliges kleines Zimmer geführt, erst am kommenden Morgen wollte sie der Vater im neuen Reich einführen. Die Tante war schon einige Tage früher einge­troffen und bereits in ihrer Stube behaglich eingerichtet, sie hatte auch schon die Schlüssel und das Scepter zur Regierung im Hause in Empfang genommen. Im Scherz, der aber Ernst bedeutete, sagte Herr von Felsen: Ich bleibe König in meinem Hause, Cousinchen soll mein Hausminister sein und Gertrud ihr Kabinetssekretär und ihre rechte Hand, Gertrud soll wirthschaften lernen, Gertrud soll sich nicht an den gedeckten Tisch setzen.