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Du sollst Gott lieben über Alles, Deinen Nächsten aber wie Dich selbst."

Meine Gertrud," sagte der Vater,hier ist nun Dein gemüthliches Daheim, ich führe Dich ein mit dem Wunsche, daß Du darin erfüllen mögest, was ich von Dir hoffe und erwarte. Die Erinnerungen an Deine Mutter sind Mahnrufe aus der Ewigkeit, sie war aus Herzensgrund pflicht­treu, sie war es in der Liebe zum Herrn. Als Du noch ein kleines Mäd­chen warst, machte sie ihren Erziehungsplan für Dich, und ihre Richtschnur war das große Gebot der Liebe, welches uns Christus gegeben hat."

Gertrud hatte Thränen in den Augen und schlang ihre Arme um des Vaters Hals und dankte, zwar nicht mit vielen Worten, denn diese fand sie nicht gleich in der Ueberraschung und Freude, aber der Vater fühlte ihre Innigkeit durch. Der Vater sprach weiter:Du bist jetzt er­wachsen, trittst in die Welt nur an der Hand Deines Vaters, die Mutter wurde in ihren Himmel gerufen, ohne ihrem Kinde den Weg bereitet zu haben, den es gehen soll. Ich habe in ihrem Sinne zu handeln ver­sucht, siehe Dich um in Deinem kleinen Daheim, rund umher siehst Du Wegweiser für Dich, sie heißen: «Bete und arbeite!» Da stehen Andachts­bücher, da steht eine Bibel; hier ist ein Nähtisch, auch eine Nähmaschine habe ich Dir besorgt. Du sollst Deine Zeit nicht vergeuden, sollst arbeiten für Dich, für mich, für Arme. «Du sollst Gott über Alles lieben, Deinen Nächsten wie Dich selbst!» Du sollst thätig sein für Deinen Nächsten. Wer Deine Hilfe braucht, ist Dein Nächster. Ich habe aber nicht blos materielle Hilfe im Sinn, sondern ebenfalls geistige, auch diese kannst Du gewähren. Da habe ich Dir eine Volksschriften-Sammlung aufgestellt, Bauer und Bürger, die Alten und die Jungen finden hier erfrischende, belehrende, nützliche Bücher, sie sollen umsonst zum Lesen erhalten, was hier aufgereihet ist, Du hast die Aufgabe mein Bibliothekar zu sein und Ordnung zu halten. Die Büchervertheilung wird Dich in Verkehr bringen mit den Leuten im Dorfe, das wünsche ich, einen anderen wirst Du mit ihnen nicht haben, denn die gleiche Bildungsstufe fehlt ihnen; aber Du wirst ihre Bedürfnisse, ihre guten und falschen Begriffe kennen lernen und ihnen Liebesdienste leisten können. Wir leben in einer sehr ernsten Zeit. Der große Krieg ist vorüber und hat Deutschlands Macht neu begründet; aber Krieg der Geister ist gefolgt und der Kampf kann lange dauern. Es ist schwer sich zurecht zu finden, schwer einen Standpunkt festzuhalten; aber es ist eine Hilfe dazu da: Wir haben zu bedenken, daß wir Christen