Schau berufen. Nachdem die Locomotivbestellungen damals nur kurze Zeit anhielten, so wurden unterdessen Loco- motiven in Yorrath gebaut und als weiteren Ersatz für fehlende Beschäftigung erwarb W. Günther einen Auftrag der k. u. k. Kriegsmarine auf zwei Maschinencomplexe für Kanonenboote.

Unter diesen Umständen sah sich die Creditanstalt, in deren Besitz die Günthersche Fabrik überging, ver­anlasst, mit G. Sigl in Verhandlungen zu treten, welche dazu führten, dass derselbe mit Neujahr 1861 den Betrieb der Wr.-Neustädter Fabrik zunächst pachtweise übernahm, später aber dieselbe käuflich erwarb. Seine Leistungen auf dem Gebiete des Locomotiv- sowie auch des allgemeinen Maschinenbaues sind für alle Zeiten gewürdigt worden und so oft der rühmlichsten Erscheinungen dieser Industrie gedacht wird, muss sein Name unter den ersten und hervorragendsten glänzen.

Bei Uebernahme der Wr.-Neustädter Fabrik setzte G. Sigl zunächst die begonnenen Arbeiten an den Schiffsmaschinen in seiner Wiener Fabrik fort, in welcher ebenfalls solche Maschinencomplexe in Ausführung standen.

Die Wr.-Neustädter Fabrik wurde nunmehr durch Vornahme entsprechender Investitionen in den Stand gesetzt, 4 Locomotiven per Monat herzustellen und den auf die Detailausführung basirten gesteigerten Anforde­rungen zu entsprechen.

Im Jahre 1860 blieben die Bestellungen der österreichischen Bahnen aus, und der auf 700 Mann ange­wachsene Arbeiterstand war damals auf kaum 400 Mann reducirt worden. Der Bestand der Fabrik konnte bei solchen Verhältnissen nur durch Erschliessung ausländischer Absatzgebiete gesichert werden, was denn auch der Umsicht und Thätigkeit Sigls gelang.

Dadurch musste sich die Erhöhung der Leistungsfähigkeit entsprechend steigern, zu welchem Zwecke be­deutende Zubauten und Anschaffungen von Werkzeugmaschinen vorgenommen wurden.

Das Jahr 1868 brachte im Inlande wieder vermehrte Beschäftigung, und auch in Ungarn wurde durch die Regierung der Ausbau des ungarischen Netzes in energischer Weise in Angriff genommen. Die Direction der ungari­schen Staatsbahnen beschloss die Aufstellung von Normal-Locomotivtypen für sämmtliche ungarische Bahnen und acceptirte hiefür die von der Wr.- Neustädter Fabrik ausgearbeiteten Vorschläge. Nach diesen Typen kamen nun in den Jahren 1869 und 1870 eine grosse Anzahl von Locomotiven für die k. ungarischen Staatsbahnen, für die ungarische Ostbahn und die ungarische Nordostbahn zur Ausführung.

In das Jahr 1870 fällt die Vollendung der tausendsten der aus den beiden Siglschen Fabriken in Wr.-Neustadt und Wien hervorgegangenen Loco­motiven. Zu dieser Zeit war die Fabrik bereits im Stande, monatlich 10 Stück Locomotiven zur Ablieferung zu bringen.

Der Arbeiterstand, der zur Zeit W. Günthers etwa 3oo Mann betragen hatte, dann bei Uebernahme der Fabrik durch G. Sigl 600, endlich zur Zeit der tausendsten Locomotive auf nahe 2000 Mann gestiegen war, erreichte in den ersten Siebzigerjahren eine Ziffer von nahe 3ooo.

Die andauernd günstigen Aussichten sowohl im Inlande als auch im Aus­lande, und ferner die Anerkennung, welche die hervorragende Qualität der Siglschen Locomotiven allseits gefunden hatte, veranlassten Sigl zu weiteren Vergrösserungen. Durch diese sollte es möglich werden, bis zu 180 Locomotiven jährlich fertigzustellen, welche Ziffer im Jahre 1873 auch thatsächlich erreicht wurde, und zwar brachten hauptsächlich Lieferungen für das Aus­land diesen Erfolg.

Aber auch im Auslande gestaltete sich der Absatz nach und nach schwieriger. In Deutschland waren neue Locomotivfabriken entstanden und die alten bedeutend vergrössert worden. Diesen Werken stand durch die gross­artige Entwicklung der deutschen Eisen-Industrie auch bald ein im Vergleiche mit den österreichischen Verhältnissen ausserordentlich billiges Eisen- und Feuerungsmateriale zur Verfügung. Zudem kam, dass inzwischen in Oesterreich eine dritte Locomotivfabrik gegründet wurde, und dass man auch in Ungarn Anstalten traf, um den dortig'en Loco- motivbedarf im Lande selbst zu decken. Unter diesen ungünstigen Umständen musste die Fabrik in eine Actien- gesellschaft umgewandelt werden, um auf diesem Wege ihren Fortbestand zu ermöglichen. Die hohe k. k. Staats­verwaltung zeichnete für 600.000 fl. Actien, d. i. etwa ein Drittel der zur Subscription gelangten Summe. Vereint mit ihr betheiligten sich die k. k. priv. Oesterreichische Creditanstalt, die Gross-Industriellen von Fridau, Schoeller & Co., Gustav Chaudoir & Co. u. A. an der Gründung der zur Zeit bestehenden Gesellschaft. Der Kaufpreis, um welchen dieselbe das Werk von G. Sigl erworben hatte, betrug 2,000.000 fl.

Nach anfänglich schweren Kämpfen konnte die Fabrik durch Lieferungen in das Ausland, namentlich Russ­land, später Italien und an sämmtliche grösseren Bahnen Frankreichs wieder eine ihrer Ausdehnung und Bedeutung entsprechende Thätigkeit entfalten.

In Oesterreich war inzwischen infolge des ausserordentlich zurückgegangenen Verkehres die Zeit des soge­nannten Secundärbetriebes, selbst auf Hauptbahnen, gekommen, und es wurden meist nur kleine Locomotivtypen verlangt. Erst mit dem Jahre i883 begann für die österreichische Locomotiv-Industrie wieder eine Periode besserer und später auch gleichmässigerer Beschäftigung, da sich der Eisenbahnverkehr allmälig gehoben hatte. Die Pro-

Georg Sigl.