Wie gross damals schon die Bedeutung des Unternehmens war, bezeichnet der Umstand, dass der Zar von Russland sich bei seinen Reisen in der Krim nur Weitzerscher Wagen bediente.

Im Kriegsjahre 1866 bestellte das k. k. Kriegsministerium bei der Weitzerschen Fabrik 50.000 Stück Remington- Hinterladergewehre, die somit das erste Etablissement in Oesterreich war, welches sich mit der Erzeugung von Hinterladergewehren befasste.

Nach dem Friedensschlüsse wurde die Erzeugung von Remington-Gewehren eingestellt und eine Lieferung von 100.000 Stück Wänzel-Gewehren übernommen.

Die ursprünglichen Geschäftszweige waren inzwischen in der Fabrik flott fortgeführt worden, die Gebäude und maschinellen Einrichtungen vermehrten sich, und der Arbeiterstand wuchs auf 1500 Mann.

Die allgemeine Besserung der wirthschaftlichen Verhältnisse zu Ende der Sechzigerjahre machte sich auch beim Weitzerschen Unternehmen geltend.

Bei der Neuerrichtung der ungarischen Landwehr wurde dasselbe vom Honvedministerium mit der Lieferung sämmtlicher Militärfuhrwerke betraut, welche die Fabrik durch viele Jahre beschäftigte. Auch wurden wieder neue Bahnen, speciell in Ungarn, gebaut, und der Waggonbau konnte abermals in grösserem Umfange aufge­nommen werden. Ungarn wurde in diesem Artikel das Hauptabsatzgebiet. Die Fabrik florirte in allen Geschäfts­zweigen, so dass zu Anfang des Jahres 1872 die Industrie- und Bodencreditbank in Wien die Fabrik in eine Actien- gesellschaft umwandelte unter dem Titel «Grazer Waggon-, Maschinenbau- und Stahlwerksgesellschaft». Das Actien- capital betrug 4 Millionen Gulden. 2 Millionen gelangten noch im selben Jahre zur Ausgabe, während die restlichen 2 Millionen nach Bedarf zum Ausbaue eines projectirten Stahlwerkes begeben werden sollten. Mit dem Bau des­selben wurde sofort auf einem Grundstücke am nördlichen Ende des Südbahnhofes in Graz begonnen.

Dieser Fabriksbau wurde im grossen Umfange angelegt; als man jedoch an die Ausgabe der restlichen 2 Millionen schreiten wollte, kam das Jahr 1873 mit der verhängnisvollen Finanzkrise; die weitere Ausgabe der neuen Actien war unmöglich gemacht. Mit dem Bau des Stahlwerkes konnte jedoch nicht mehr innegehalten werden, und als der Betrieb in demselben aufgenommen wurde, waren weitere grosse Summen nöthig, wodurch die Gesell­schaft in die ärgsten Geldverlegenheiten kam. Unter den grössten Schwierigkeiten musste Geld beschafft werden, doch die Zinsen und Spesen hiefür waren grösser als der ganze Gewinn der Fabriken; die finanziellen Calamitäten wurden von Jahr zu Jahr drückender, bis das Unternehmen zu Anfang des Jahres 187g seine Zahlungen einstellte und in Concurs gerieth.

Die Actiengesellschaft hatte den Kleinwagenbau von vorneherein ausgeschlossen gehabt. Deshalb erwarb Johann Weitzer im Jahre 1872 bei Uebergabe seines Etablissements an die Actiengesellschaft, im Einverständnisse mit derselben, neuerdings eine Fabriksbefugnis unter dem Titel «k.k. priv. Wagenfabrik von Johann AVeitzer in Graz», erbaute gegenüber der Waggonfabrik an der Eggenburger Allee eine kleine Fabrik, erwarb von der Gesellschaft die von ihr nicht benöthigten, für den Kleinwagenbau bestimmten Maschinen, Einrichtungen, die vorhandenen Roh­stoffe und Halbfabrikate, nahm die alten, in diesem Fache eingeschulten Arbeiter zu sich und begann so den Kleinwagenbau wieder von vorne.

Bis zum Jahre 1879 wurde diese AA r agenfabrik in bescheidenem Maasse betrieben; als jedoch die Waggon-, Maschinenbau- und Stahlwerksgesellschaft in Concurs gieng, sowohl die Waggonfabrik als auch das Stahlwerk gänzlich aufgelassen und die Maschinen und Werkzeuge verkauft wurden, kaufte Johann W 7 eitzer einen grossen Theil der Maschinen, Werkzeuge, Materialien etc., nahm die geschulten alten Arbeiter, Meister und Beamten zu sich, vergrösserte seine W r agenfabrik, erwarb neuerdings eine Fabriksbefugnis für Wagen- und Waggonbau unter dem Titel «k. k. priv. Wagen- und Waggonfabrik» und begann mit ca. 250 Mann wieder den Waggonbau nebst Klein­wagenbau.

Zu Anfang der Achtzigerjahre begann man in Oesterreich-Ungarn mit dem Baue von Dampftramways, Schmal­spur- und elektrischen Bahnen. Da sich bis dahin in Oesterreich-Ungarn keine Waggonfabrik mit dem Baue der­artiger Specialwagen befasste, verlegte sich die Grazer Fabrik besonders auf die Erzeugung derselben, und in den ersten zehn Jahren wurden fast sämmtliche derartigen Vehikel für Oesterreich-Ungarn hierselbst erzeugt.

Aber auch nach Italien, Russland, Rumänien und insbesondere nach Bosnien und der Herzegowina wurden solche Waggons geliefert.

Der bisher ausgedehnte Luxuswagenbau wurde der eintretenden Handelskrisen wegen in Aegypten, weiters durch abnorme Zollerhöhungen und durch Sinken des Rubelcurses in Russland, durch den Rückgang des Rupien- curses in Indien und durch die Frachterhöhung des österreichischen Lloyd in allen anderen überseeischen Ländern derart ungünstig beeinflusst, dass successive die meisten Absatzgebiete, in welchen die Grazer Fabrikate schon einen Weltruf hatten, verloren giengen. So wurde denn der Luxuswagenbau aufgelassen und der Waggonbau allein betrieben.

In der Mitte der Achtzigerjahre, als die Industriepolitik der Ungarn dahin strebte, auf allen Gebieten eine eigene Industrie zu schaffen, errichtete Johann Weitzer, um die Lieferungen des Honvedministeriums nicht zu ver­lieren, in Oedenburg eine Filiale in bescheidenem Umfange und besetzte diese mit Beamten, Meistern und Arbeitern von der Grazer Fabrik. Doch dies genügte der ungarischen Regierung nicht. Handelsminister Gabor Baross er­klärte, wenn das Etablissement auf die ungarischen Lieferungen weiter reflectire, so müsste es eine Fabrik im Innern Ungarns errichten. Oedenburg sei so nahe an der Grenze, dass zu vermuthen sei, die Grazer Fabrik wirke daselbst mit; was Ungarn jedoch an AVaggons brauche, müsse im Lande erzeugt werden.

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