auch einem elektrotechnischen Industriezweige sich zuwandte, beziehungsweise ganz zu demselben über­ging, oder dass die betreffende Firma sich früher vornehmlich mit dem Baue von elektrischen Tele­graphen befasste. Es ist nämlich die elektrische Telegraphie der einzige hervorragende Zweig der Elektrotechnik, von dem im Gegensätze zu allen anderen wichtigen Anwendungsgebieten der Elektricität, wie der elektrischen Beleuchtung und Kraftübertragung, Telephonie, Elektrochemie u. s. w., gesagt werden kann, dass er infolge der schon früher gemachten Erfindungen einige Industriestätten als Telegraphen­bauanstalten seit beiläufig der Mitte unseres Jahrhunderts ins Leben rief.

Ein hieher gehöriges Beispiel bietet uns die Actiengesellschaft Siemens & Halske. Dieses Unternehmen, welches im Jahre 1897 das Jubiläum seines fünfzigjährigen Bestandes gefeiert hat, wurde am 12. October 1847 von Werner Siemens im Vereine mit dem Mechaniker J. G. Halske als Tele­graphenbauanstalt in Berlin gegründet und begann mit zwei Drehbänken und 10 Arbeitern seine Thätigkeit. Bis zur Zeit des fünfundzwanzigjährigen Geschäftsjubiläums der Firma (1872), bei welcher sie schon 543 Arbeiter aufwies, konnte ihr füglich die ursprünglich gewählte Bezeichnung «Telegraphenbauanstalt» beigelegt werden, da sie sich bis zu diesem Zeitpunkte vornehmlich mit dem Baue von elektrischen Telegraphen befasste und hierin eine tonangebende Rolle spielte. Von maassgebender Bedeutung für das rasche Emporblühen des Unternehmens zur Ausgestaltung als Weltfirma waren jedoch erst die in den Siebzigerjahren auf elektrotechnischem Gebiete gemachten Fortschritte, an welchen Werner Siemens selbst in hervorragenderWeise mitgearbeitet hat. Dank der Energie, mit welcher die Firma jedes neuerschlossene Gebiet (elektrische Beleuchtung, Kraftübertragung einschliesslich elektrischer Bahnen, Telephonie, Elektrochemie, Eisenbahnsicherungswesen, Glühlampen- und Kabelerzeugung) zu ihrem Arbeitsgebiete machte, weist dieselbe jetzt mit ihren Fabriken in Berlin, Charlottenburg, Wien und Petersburg einen Umfang auf, der am einfachsten durch einen Stand von 2000 Beamten und 9000 Arbeitern gekennzeichnet ist.

Die Geschichte dieser Weltfirma gibt uns ein gutes Beispiel von der Entwicklung der elektro­technischen Industrie, die in den letzten zwei Decennien einen ungeahnten Aufschwung genommen hat. In allen Culturstaaten schritt man rührig an die Gründung von zahlreichen neuen elektrotechnischen Unter­nehmungen, zumeist in Form von Actiengesellschaften, und führte bei bereits bestehenden Unternehmungen die verschiedenen neuen elektrotechnischen Industriezweige ein, wobei die Geldinstitute, den Werth dieser technischen Errungenschaften für die Zukunft erkennend, gerne die materiellen Mittel hiefür zur Verfüeune stellten. Und so kam es, dass in verhältnismässig" kurzer Zeit heute die Elektrotechnik ganz ansehnliche industrielle und culturelle Leistungen aufweisen kann, die vor einem Vierteljahrhundert wohl niemand vorausgesehen hat.

Man wird nicht zu hoch greifen, wenn man die Gesammtzahl der bisher auf unserer Erde instal- lirten elektrischen Lampen auf 20 Millionen schätzt. Weist ja Deutschland allein nach dem Stande vom 1. März 1897 bei seinen in 253 Orten im Betriebe befindlichen 265 Elektricitätswerken mit einer Gesammt- leistung von mehr als 100.000 HP einen Anschluss von über einer Million Lampen auf. Ebenso gewaltig ist die Leistung auf dem Gebiete der elektrischen Bahnen. Schon im Jahre 1897 liess sich die Strecken­länge der elektrischen Bahnen in Europa und Amerika zusammen auf 23.200 km und die Zahl der auf dieser Gesammtstrecke verkehrenden Wagen auf 40.200 bewerthen. Davon entfallen auf Amerika allein 21.750/cm an Betriebsstrecken und 37.100 Wagen. Um zu zeigen, wie rapid sich dort in den letzten zehn Jahren die Verhältnisse zu Gunsten des elektrischen Betriebes bei Strassenbahnen geändert haben, sei angeführt, dass es in Amerika im Jahre 1887 3700 km Strassenbahnen mit Pferde- und nur 1620 km mit elektrischem Betriebe gab, während im Jahre 1897 bereits 21.750 km elektrisch und nur mehr 137 km mit Pferden betrieben wurden.

Auch das geistige Verkehrswesen hat durch die Elektricität ganz riesige Dimensionen angenommen. Nach einer Schätzung stehen dem telephonischen Verkehre auf unserer Erde in allen Stadtfernsprechnetzen und sämmtlichen Stadt-zu-Stadt-Linien Leitungen in einer Länge von rund 3 Millionen Kilometer mit weit über 1 Million Sprechstellen zur Verfügung und werden auf denselben jährlich an 2 Milliarden Gespräche geführt. Dem telegraphischen Verkehre dienen gegen 8 Millionen Kilometer Leitungen mit weit über 200.000 Apparaten verschiedenster Systeme, und reicht die Gesammtzahl der Telegramme an

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