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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Dritter Band
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bedeutender Grösse entwickelt. Obzwar diese Firma sich auch mit dem Baue von kleineren Dynamo­maschinen und Bogenlampen befasst, so liegt ihre industrielle Stärke doch auf dem Gebiete der Schwach­stromtechnik, im Telegraphen- und Telephonbau. Besonders sind die Erzeugung von Haus-, Hotel-, Fabriks-, Feuer- und Bahntelegraphen, sowie der Magnet- und Mikrotelephone in den verschiedensten Ausführungen hervorzuheben. Speciell der Graphit-Transmitter dieser Firma, welcher bis zum Jahre 1896 bereits in 170.000 Exemplaren zur Verwendung gekommen ist, zählt zu den besten Apparaten dieser Art und hat in vielen fremden Staaten Eingang gefunden. Auch in der Herstellung von Blitz­ableiteranlagen nimmt die Firma eine hervorragende Stellung ein. Weiters seien auf diesem Gebiete noch die Firma H. W. Adler & Co., E. u. L. Hirsch und Carl König, Breinhälder & Co. in Wien und die Fabrik elektrischer Bedarfsartikel von W. Jungbauer in Prachatitz genannt. Letztere befasst sich speciell mit der Engroserzeugung von Telegraphendrückern in den verschiedensten Aus­führungen (jährliche Production 600.000 Stück), von Signalglocken für Haustelegraphen und Indicateuren.

Die industrielle Verwerthung der chemischen Wirkungen des elektrischen Stromes ist noch eine sehr geringe in Oesterreich. Als die wichtigsten sind anzuführen das elektrolytische Bleichverfahren von Holzcellulose in der Cellulosefabrik der Kellner Partington Paper Pulp Co. in Hallein, nach den Patenten von Dr. C. Kellner, die Herstellung von Carborundum in einer Anlage der Länder­bank auf der Herrschaft Benat'ek und die Herstellung von Elektrolytkupfer in einer Anlage von mässigem Umfange in den Hüttenwerken zu Witkowitz. Wie weiters bekannt, hat die Aluminium- Industrie-Actiengesellschaft in Neuhausen (Schweiz) die Anlagen zur Kraftvertheilung der Wasserfälle in Lend-Gastein käuflich an sich gebracht, um dieselben zur Fabrication von Aluminium und Calcium-Carbid auszunützen. Auch wird bei Golling (Salzburg) eine elektrochemische Fabrik er­baut, welche unter Benützung der Wasserkräfte der Salzach nach den Dr. Kellnerschen Patenten sich mit der Herstellung von Chlorkalk, Aetznatron und Chloraten auf elektrolytischem Wege befassen wird. Es wäre nur zu wünschen, wenn die zahlreichen Wasserkräfte Oesterreichs recht bald in ausgedehn­tem Maasse eine Verwerthung für elektrotechnische Zwecke finden würden.

Auf dem industriellen Gebiete der Elektrochemie muss auch der Firma Wilh. Pfannhauser in Wien (gegründet 1873) Erwähnung gethan werden, welche sich speciell mit der Erzeugung von Apparaten, Chemikalien und Utensilien für die Galvanoplastik und Galvanostegie befasst, und gebührt ihr das Verdienst, die Galvanostegie zu einer Industrie ausgestaltet zu haben; denn bis zum Jahre 1878 war sie in Europa die einzige Firma, welche sich ausschliesslich mit diesem Industriezweige beschäftigt hat.

Bereits früher wurde die Bemerkung gemacht, dass die Elektrotechnik auch auf andere Industrien belebend und fördernd eingewirkt hat. Vor allem kann dies von jenem Zweige der Maschinen-Industrie gesagt werden, welcher sich mit dem Baue von Antriebsmotoren für die Dynamomaschinen, wie Turbinen, Gasmotoren, Dampfmaschinen und Dampfturbinen, befasst. Besonders die Gas- und Dampfmaschinen haben durch die Ausbreitung der elektrischen Licht- und Kraftvertheilungsanlagen eine ausgedehnte Anwendung gefunden, und waren vorzüglich die Constructeure von Dampfmaschinen bemüht, Maschinen herzustellen, die bei hoher Tourenzahl zum Zwecke der directen Kupplung mit den Dynamomaschinen einen hohen Gleichförmigkeitsgrad und eine möglichst vollkommene Regulirung aufweisen.

Auch die Maschinen-Industrie in Oesterreich, insoweit sie sich mit dem Baue von Dampf- und Gaskraftmaschinen befasst, hat insbesondere durch die elektrische Beleuchtungs-Industrie eine mächtige Förderung erfahren. Beispielsweise sei diesbezüglich nur angeführt, dass die Erste Brünn er Ma­schinenfabriks-Gesellschaft allein bisher 204 Dampfmaschinen mit einer Gesammtleistung von 40.385 HP für elektrische Betriebe ausgeführt hat.

In der Maschinen-Industrie ist ferner noch die Herstellung von Specialmaschinen für gewisse Zweige der elektrotechnischen Industrie selbst zu berücksichtigen, und muss in Hinblick auf Oesterreich hierbei die Maschinenfabrik der Brüder Demuth in Wien genannt werden, welche alle Hilfsmaschinen für die Kabelfabrication, und zwar Drahtseil-, Ueberspinn-, Flecht- und Bandwickelmaschinen herstellt.

In der Metall-Industrie finden wir nach verschiedener Richtung eine Förderung durch das Empor­blühen der Elektrotechnik. Die Herstellung der Polgehäuse für die Dynamomaschinen schuf den Eisen- giessereien ein neues Arbeitsgebiet und haben sich auch die meisten der grösseren Eisengiessereien in

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