ELEKTRISCHE GLEICHSTROM-ANLAGEN.

VON PROFESSOR CARL SCHLENK.

er elektrische Strom, dessen Anwendung sich vor 50 Jahren nur auf ein sehr kleines Gebiet

erstreckte, ist heute ein mächtiger Factor im Industrieleben geworden und hat eine ungeahnte

Mannigfaltigkeit der Verwendung erreicht.

Der Strom für Beleuchtung und Kraftübertragung kann entweder in der Form des Gleichstromes oder des Wechselstromes angewendet werden. In den Anfängen der Starkstrom-Elektrotechnik dominirte der Wechselstrom, der jedoch bald dem Gleichstrom das Feld räumen musste. Erst in letzter Zeit tritt der Wechselstrom wieder als vollwerthiger Concurrent des Gleichstromes im Wettbewerbe auf.

Vor dem Jahre 1848 ist überhaupt von einer elektrotechnischen Industrie, die Anwendung des Starkstromes betreffend, nicht die Rede, und noch lange Zeit später befinden sich alle Apparate für die elektrische Beleuchtung in einem recht primitiven Zustand, nur ungenügend ihrem Zwecke entsprechend. Erst durch Siemens und Gramme zu Beginn der Siebzigerjahre wurde eine entscheidende Wendung herbeigeführt. Noch auf der Weltausstellung 1873 zu Wien muss die Anwendung elektrischer Ströme eine höchst bescheidene genannt werden, wohl aber ist durch den aus diesem Anlasse das erste Mal

vorgeführten Versuch der elektrischen Uebertragung von Energie durch Fontaine mit Grammeschen

Maschinen dieser Ausstellung eine besondere Bedeutung beizulegen.

Erst die Ausstellungen zu Paris 1878 und 1881 und die Erfindung der Glühlampe bezeichnen den Beginn industrieller Verwerthung der elektrischen Ströme, und in diese Zeit fällt auch die erste Anwendung der Elektricität für Tractionszwecke.

Dem von Siemens in Berlin 1879 gegebenen Beispiele folgte die Wiener Firma B. Egger & Comp.

1880 mit einer kleinen elektrischen Bahn auf der Gewerbe-Ausstellung in Wien, und im Jahre i883 wurde die heute noch im System unverändert bestehende elektrische Bahn in Mödling, von der Firma Siemens & Halske erbaut, eröffnet.

Das Jahr i883 mit seiner elektrischen Ausstellung zeigte schon die beginnende Entwicklung einer einheimischen Industrie, deren Grösse und Bedeutung heute unbestritten ist.

Die Entwicklungsperiode bis zum Jahre 1885 ist fast ausnahmslos unter Verwendung von Gleich­strom vor sich gegangen, bis die Firma Ganz & Co. durch das Wechselstromsystem der Erfinder Zipernowsky, Déri und Blathy im Jahre 1885 diese Stromart erfolgreich einführte.

Trotz der Concurrenz und der Bestrebungen gleiche Ziele verfolgender Stromsysteme sind Gleich­stromanlagen auf dem Gebiete der elektrischen Beleuchtung, der Kraftübertragung und der Elektrochemie von bedeutender Grösse entstanden, und bilden sie den besten Beweis der Leistungsfähigkeit der öster­reichischen elektrotechnischen Gross-Industrie.

In der folgenden Tabelle werden die bedeutendsten der bestehenden Gleichstromanlagen angeführt:

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