ruhig, dass jede Verständigung ausgeschlossen ist. Eine weitere Schwierigkeit bei längeren Einzel­leitungen bildet der Einfluss, welchen die benachbarten Telegraphen-, Telephon- und Starkstromleitungen ausüben, und welcher sich durch Geräusche aller Art, «Ueberhören» etc. in höchst fataler Weise be­merkbar macht. Musste aus diesen Gründen schon in Stadtnetzen der Doppelleitung der Vorzug gegeben werden, so erscheint bei interurbanen Verbindungen die für die Telegraphie so wichtige Benützung der Erde als Rückleitung ganz unthunlich. Interurbane Leitungen müssen nicht nur unbe­dingt als metallische Schleifen gebaut, sondern die beiden Drähte der Schleife müssen noch ausserdem nach gewissen theoretischen Regeln und in ganz bestimmten Entfernungen gekreuzt werden, um Ruhe in der Leitung zu erzielen. Die Anwendung der erwähnten Mittel ist heute so ausgebildet, dass man Telephonleitungen nicht nur in der Nähe anderer Drähte, sondern sogar mit Telegraphen- und Telephon­drähten auf ein Gestänge spannen kann, ohne wesentliche Störungen befürchten zu müssen. Als Material für Fernleitungen wird 34 mm starker Bronze- oder Compounddraht gewählt; Eisen- oder Stahl­draht, welcher sich, wie erwähnt, in Stadtnetzen nicht bewährt hat, kann hier gar nicht in Betracht gezogen werden.

Um den Uebergang von einer einfachen Leitung des Stadtnetzes auf die interurbane Doppel­leitung zu ermöglichen, werden Inductionsspulen, sogenannte Translatoren, zwischengeschaltet, deren Wicklungen einerseits mit der Einzelleitung, andererseits mit der Schleife verbunden sind.

Was den telephonischen Verkehr, beziehungsweise die Verbreitung der Telephonie in Oesterreich anbelangt, so lässt sich nicht leugnen, dass in dem verhältnismässig kurzen Zeiträume, seit die Tele­phonie als Verkehrsmittel besteht, ein grossartiger Fortschritt, ein erfreulicher, zu kühnen Erwartungen berechtigender Aufschwung zu verzeichnen ist. Freilich bleibt aber für die nächste Zukunft noch viel

I

mehr zu leisten übrig. Nebst der Errichtung von neuen Netzen nimmt die Erweiterung und die tech­nische Vervollkommnung der bestehenden Anlagen infolge des stetigen Zuwachses an Theilnehmern und der Fortschritte der Technik alljährlich ganz bedeutende Summen in Anspruch. Für den inter­urbanen Verkehr sind bis jetzt eigentlich nur die wichtigsten Verbindungen vorhanden; der inter­nationale Verkehr ist mit Ausnahme kurzer Grenzleitungen noch auf wenige Relationen nach Ungarn und Deutschland beschränkt. Es unterliegt gar keinem Zweifel, dass der telephonische Verkehr auch in Oesterreich binnen kurzer Zeit jene Ausdehnung erreichen wird, welche er schon seit Jahren in anderen Ländern, insbesondere in Schweden, zum Vortheile der Bevölkerung besitzt, allmälig aber auch jene internationale Bedeutung erlangen wird, welche derzeit der Telegraphie innewohnt.

Ueber die Frage, wie sich schliesslich das Verhältnis zwischen Telegraphie und Telephonie gestalten wird, lässt sich ein abschliessendes Urtheil umsoweniger abgeben, als weder auf dem einen noch auf dem anderen Gebiete jene Stabilität in der technischen Durchbildung erreicht ist, welche sichere Schlüsse auf die Zukunft gestattet. Wahrscheinlich ist es, dass die Telephonie den Telegraphen­verkehr nicht nur nicht schädigen, sondern im Gegentheil durch die Eigenart ihrer Einrichtungen belebend auf denselben einwirken wird, soweit es die Hauptadern des den Erdball umspannenden Drahtnetzes betrifft. Der Localverkehr und die Aufgabe, die kleinen und kleinsten Gemeinden dem Telegraphennetze anzugliedern, wird wohl dem Telephon allein überlassen bleiben müssen. Auf den Hauptadern des Verkehrsnetzes wird dagegen die Telephonie nur zur Geltung gelangen, sobald es sich um den directen Gedankenaustausch, um Rede und Gegenrede handelt, nie aber dürfte sie jene Massen­beförderung von mehr oder weniger ausführlichen Mittheilungen übernehmen können, welche die Tele­graphie mit den leistungsfähigen Apparaten der Neuzeit bewältigt.

Im Vorstehenden wurde darzustellen versucht, wie sich die Telegraphie und Telephonie in Oester­reich aus ganz bescheidenen Anfängen zu einer nicht nur für staatliche Zwecke im allgemeinen, son­dern auch für Handel und Industrie geradezu unentbehrlichen Verkehrsanstalt ausgebildet hat; hoffen und wünschen wir, dass auch die künftige Entwicklung dieser Anstalt jederzeit den sich gewaltig stei­gernden Anforderungen des Verkehres entsprechen möge.

245