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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Dritter Band
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neueren Umschaltern Klappen angewendet, welche sich automatisch schliessen, und sind Connectoren im Gebrauche, welche die geringste Zahl von Handgriffen bei Effectuirung einer Verbindung erfordern.

Vielfachumschalter der beschriebenen Art bis zu 1000 Anschlüssen sind in Oesterreich in mehreren Provinzstädten, wie Prag, Graz, Triest etc., im Betrieb. In Wien wurden von der Privatgesellschaft drei Vielfachumschalter für zusammen 8400 Anschlüsse übernommen. Bei dem Umstande, als zur Zeit der Uebernahme alle Klinken besetzt waren und somit keine neuen Abonnenten angeschlossen werden konnten, war die Staatsverwaltung sofort vor die Frage gestellt, in welcher Weise die Erweiterung der Anlage erfolgen soll. Die weitere Errichtung kleinerer Centralen erschien zwar als provisorische Maassregel geboten, für die Zukunft musste aber ein weiter ausgreifendes Project zur Durchführung gelangen, um die Anlage entwicklungsfähig zu erhalten. Die Zahl der Centralen zu vermehren, den Betrieb sonach zu decentralisiren, erschien unthunlich, weil der Betrieb hiedurch erschwert und eine sehr grosse Zahl von Verbindungsleitungen erforderlich werden würde.

Alle diese Erwägungen führten zu dem Entschlüsse, die Anlage von Grund auf durch Errichtung zweier grosser Centralen in eigenen vierstöckigen, vom Keller bis zum Dachboden den speciellen Bedürf­nissen entsprechend gebauten Telephongebäuden zu reconstruiren.

Die Staatstelephongebäude in Wien VI., Dreihufeisengasse 7 und IX., Berggasse 35, von welchen ersteres 1898, das zweite im Mai 1899 dem Betriebe übergeben wurde, sollen, wie erwähnt, ausschliesslich Zwecken der Telephonie dienen, ein Beweis für die Ausdehnung, welche dieser Dienstzweig der Staats­telegraphenanstalt heute schon besitzt. Nebst den in grosser Zahl erforderlichen Räumen für den all­gemeinen Dienstbetrieb enthalten diese Gebäude in ihren obersten Geschossen grosse, lichte Säle, in welchen die für je 12.000 Anschlüsse eingerichteten Vielfachumschalter aufgestellt sind. Die Umschalter sind unter Berücksichtigung aller auf diesem Gebiete vorliegenden Erfahrungen in Tischform mit horizon­talen Klinkentafeln gebaut und in den Details in modernster Weise ausgestattet. Welchen Umfang das eben vollendete Werk besitzt, erhellt daraus, dass behufs Uebersiedlung der Vermittlungsämter nicht weniger als 24.000 in Betrieb stehende Kabeldrähte abgefangen und unter Vermeidung von Störungen in die neuen Umschalter eingeführt werden mussten, dass für die Umschalter selbst ca. 36 oo km Kupfer­drähte, 480.000 Klinken, 32.000 Relais und 16.000 Glühlampen erforderlich und ungefähr 3 ,000.000 Ver­bindungen durch Löthung herzustellen waren. Damit besitzt Wien aber auch eine Telephonanlage, welche weit über die Grenzen unseres Vaterlandes Zeugnis abgibt für die Entwicklung und die technischen Fort­schritte der Staatstelephonie in Oesterreich.

Während in Stadtnetzen hauptsächlich die betriebssichere Führung und die rasche Combinirung der zahlreichen Leitungen Schwierigkeiten herbeiführt, stellt die interurbane Telephonie erhöhte An­sprüche bezüglich der elektrischen Beschaffenheit der Leitungen. So lange es sich nur um kurze Ent­fernungen handelt, sind die elektrischen Factoren der Leitung, Widerstand, Isolation und Capacität, von geringerem Einflüsse auf die Lautübertragung. Sobald jedoch die Distanz nach Hunderten von Kilo­metern gemessen wird, treten diese Momente immer mehr in den Vordergrund, bis sie schliesslich dem telephonischen Verkehre eine mit den jeweilig der Technik zur Verfügung stehenden Mitteln unüber­windliche Grenze bieten.

Das Bestreben der Fernsprechtechnik ist es seit jeher, den Einfluss dieser Factoren möglichst zu paralysiren und hierdurch, sowie durch Vervollkommnung der Sprech- und Hörapparate die Grenzen für die telephonische Verständigung zu erweitern. Welcher Fortschritt in dieser Hinsicht binnen wenigen Jahren zu verzeichnen ist, mag daraus entnommen werden, dass derzeit auf oberirdischen Leitungen bis zu 2000 km, auf Kabelleitungen noch bis zu 80100 km eine Verständigung möglich ist, während vor 15 Jahren die Grenze von 100 km für oberirdische Leitungen, von 10 km für Kabel als kaum über­schreitbar galt.

Während mit der Zunahme des elektrischen Widerstandes und der Capacität die Stärke und Deutlichkeit der Lautübertragung infolge einer Deformation der Stromwellen abnimmt, erzeugt eine mangelhafte Isolation der Leitung unangenehme, die Verständigung erschwerende Geräusche. Auf ein­facher Leitung mit der Erde als Rückleitung zu sprechen, ist auf den in Stadtnetzen in Betracht kommenden Entfernungen thunlich. Bei grösseren Distanzen wird dagegen die einfache Leitung so un-