überhäuft, hauptsächlich aus dem Grunde, weil die bürgerlichen Kreise an die Einrichtung ihrer Wohnräume nur sehr bescheidene Anforderungen stellten. Die Zimmer des Bürgerhauses waren mit wenigen Ausnahmen mit Stil- und formlosen politirten Möbeln aus Nuss- oder Eschenholz angefüllt; für bestimmte Zwecke dienende, denselben vollkommen entsprechende Wohnräume waren noch unbekannt. Schlecht gearbeitet waren die Möbel, welche beiläufig bemerkt für ganz Oesterreich-Ungarn nahezu ausschliesslich in Wien erzeugt wurden, trotzdem nicht, die netten und sauberen Wohnungen unserer Voreltern mit den weissen Gardinen und Bettdecken machten einen freundlichen und gemüthlichen Eindruck, wenngleich man von einer stilgemässen, einheitlichen Zusammenstellung noch nichts merkte.

Wenn auch unmittelbar nach dem Jahre 1848 keine grössere Bewegung nach vorwärts erkennbar war, so Hess sich doch wahrnehmen, wie allmälig das Verständnis für die Formen der Möbel in weiteren Kreisen aufzudämmern begann, und es wurden nunmehr auch die Gebrauchsmöbel nach bestimmten Zeichnungen angefertigt. Es war dies allerdings ein merkwürdiges Gemisch von barocken Linien mit Thier- und Pflanzenornamentik. Aus Weinblättern sah man Schlangen und Eidechsen sich winden und derartiges mehr. Doch war diese Wandlung immerhin schon als ein Fortschritt zu begrüssen.

Die in dieser Art geformten Möbel wurden nur kurze Zeit hindurch erzeugt, und bald verfiel man wieder in die Herstellung von ganz formlosen Stücken zurück.

Erst im Jahre 1851 finden wir auf der ersten Londoner Weltausstellung ein Speisezimmer, Sitz- und Schlafzimmer in Cebra wood curbaril (einer brasilianischen Holzart) in italienischer Renaissance aus dem Anfänge des 17. Jahrhunderts und eine gothische Bibliothek aus Eichenholz, letztere ein Geschenk Sr. Majestät unseres Kaisers an die Königin von England. Diese Interieurs waren im Aufträge Sr. Durch­laucht des Fürsten Alois Liechtenstein nach den Zeichnungen des Architekten M. Bernando di Bernandis von der Wiener Firma Leistier hergestellt worden.

Ein guter Theil der reich geschnitzten Bildhauerarbeiten an diesen Möbeln rührte vom Bildhauer Schönthaler her, welcher kurz zuvor seine Thätigkeit aufgenommen hatte. Diesem Künstler fällt wohl das Hauptverdienst zu, wenn in der Folge die Möbel-Industrie und Decorationsbranche bestimmte Stil-

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richtungen eingeschlagen hat; namentlich die Renaissance war es, die unter dem fördernden Einflüsse Schönthalers, der bald zu allen grösseren Arbeiten herangezogen wurde, zur Geltung kam. Die Möbel von Leistier erweckten in der Londoner Ausstellung nicht geringes Aufsehen, ebensosehr durch ihre technische Vollendung, als auch wegen ihrer Stilreinheit; sie wurden mit dem höchsten Preise, der Council- Medaille, ausgezeichnet. Durch ihr erfolgreiches Auftreten auf der Londoner Ausstellung erregte die österreichische Möbel-Industrie auch im Auslande Aufmerksamkeit, und infolge der grösseren Nachfrage erfuhr die Zahl der Producenten bald eine Vermehrung, doch diese folgten leider nur zum geringen Theile dem Beispiele Leistlers und Schönthalers. Die technische Arbeit schritt zwar immer weiter vorwärts, in der Formengebung blieb es im Wesen zumeist beim Alten, von der Verfolgung einer allgemeinen Stilrichtung war noch immer nicht viel zu sehen.

So blieb es bis zum Jahre 1857, in welchem durch das erlösende Machtwort Sr. Majestät des Kaisers Franz Josef I. die Stadtmauern, die Wien so sehr einengten, fielen und für die erste Stadt­erweiterung Raum gaben. Durch die Errichtung der zahlreichen modernen Bauten mit ihren prächtigen Räumen, welche das Bedürfnis nach besseren, geschmackvolleren Wohnungseinrichtungen wachriefen, wurden Stätten geschaffen, an welchen das Kunstgewerbe und mit ihm die Möbel-Industrie sich bilden und entwickeln konnte.

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Die Architekten, welche ein so reiches Feld für ihre Thätigkeit fanden, widmeten auch einen Theil ihres künstlerischen Könnens der inneren Wohnungseinrichtung. Die einzelnen Räume wurden bestimmten Zwecken zugeführt und diesen entsprechend bequem und geschmackvoll eingerichtet. Der Wunsch, eine schön eingerichtete Wohnung zu haben, war ein allgemeiner geworden und begann auch den Bürger in der Vorstadt zu ergreifen, auch er fieng an, seine Wohnung zu schmücken und einheitlicher zu gestalten. Die Folge war das rasche Emporblühen der Möbel-Industrie in allen ihren Zweigen. Werfen wir einen Blick in die Statistik, so finden wir auch durch deren Zahlen dieses Emporblühen bestätigt. Zu Ende der Vierzigerjahre befanden sich in Wien 1617 Tischlermeister mit 2500 Arbeitern und 624 Lehrlingen, daneben 167 Tapezierermeister mit 453 Gehilfen. Im Jahre i 863 gibt es schon 2096 Tischlermeister mit

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