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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Dritter Band
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7000 Gehilfen und 984 Lehrlingen und 3 12 Tapezierermeister mit 516 Gehilfen. Diese Ziffern, namentlich die Steigerung der Zahl der Gehilfen auf das Dreifache, geben genügend Zeugnis von dem erfolgten Aufschwünge der Möbel-Industrie.

Bei dieser Gelegenheit sei an der Hand der Statistik ein Moment in der Entwicklung der Möbel­industrie charakterisirt, welches in hohem Grade geeignet ist, die Aufmerksamkeit der berufenen Factoren auf sich zu lenken. Während vom Jahre 18481863 die Zahl der Meister in der Möbelbranche sich so bedeutend, die der Arbeiter sogar nahezu auf das Dreifache vermehrte, beobachten wir bis zum Jahre 1873 nur mehr ein allmäliges Anwachsen der Ziffern; erst im Weltausstellungsjahre erfahren sie wieder eine sprunghafte Erhöhung. Damals vergrösserte sich die Zahl der Meister um ca. 3oo, der Arbeiter um ca. 5000, der Lehrlinge um ca. 1000. Vom Jahre 18731878 sinken die Ziffern. Der ungefähre Stand dieses Jahres ist: 700 Meister, 6500 Gehilfen und 1500 Lehrlinge. Von da ab bis zum heutigen Tage sind die Verhältnisse, was die Meister betrifft, nahezu die gleichen geblieben, die Anzahl der Gehilfen ist gegenwärtig geringer als im Jahre i 863 , dagegen gibt es jetzt viermal so viel Lehr­linge als zu jener Zeit.

Nach dieser Abschweifung wollen wir unser Thema dort, wo wir es abgebrochen haben, wieder aufnehmen. Trotz der günstigen Folgen der Stadterweiterung war noch immer das stillose Arbeiten vor­herrschend bemerkbar, es bedurfte erst eines starken Impulses der berühmten Baukünstler Schmidt, Hansen, Ferstel, Van der Nüll, Siccardsburg, Hasenauer und anderer, welche auch die inneren Ein­richtungen der von ihnen erbauten Paläste, soweit sie darauf Einfluss hatten, dem des ganzen Gebäudes anpassten. Allerdings war damit eine bestimmte herrschende Stilrichtung nicht gegeben, sondern die Ein- richtungsgegenstände-entsprachen dem jeweiligen Charakter des Hauses. Gerade dieser Umstand hat die Kunst-Industriellen vielseitig arbeiten gelehrt, da sie nicht einseitig geschult wurden, sondern in die verschie­densten Stilarten Einblick zu nehmen und sich darin auszubilden Gelegenheit hatten. Leider war die Anzahl der zu diesen Arbeiten herangezogenen Kunst-Industriellen keine allzu grosse, die Mehrzahl blieb daher weiter bei der alten Weise. Man sah allerorts noch immer eine schlechte Barocke mit Auswüchsen aller Art.

Nebst dem schon früher erwähnten Schönthaler blieb es Prof. Eitelberger im Vereine mit Künstlern wie Storck und anderen Vorbehalten, durch die Schaffung des Museums für Kunst und Industrie, dieser vornehmen Lehrstätte für alle Kunstgewerbetreibenden, dem im Entstehen begriffenen Kunstgewerbe geistige Nahrung und Bildung des Geschmackes zuzuführen und ihm einen mächtigen Impuls zu geben. Unvergesslich wird es allen bleiben, welche segensreiche Wirkung dieses so vorzüglich geleitete Institut damals ausübte, mit welcher Freude die Gewerbetreibenden dasselbe begrüssten. Aber dieses Institut war nicht nur ein Segen für die Ausbildung des Kunstgewerbes, auch nach einer anderen Richtung wirkte es bahnbrechend: Es läuterte gleichzeitig den Geschmack des kaufenden Publicums. Man fieng eigentlich erst damals an, nach guten Vorbildern Einrichtungen zu bestellen. Die deutsche Renaissance und alle mit ihr verwandten Stilarten wurden der herrschende Stil. Durch das Eindringen der deutschen Renaissance fand eine Umwälzung der bis dahin üblichen Wohnungseinrichtungen statt. Wurden früher nur helle, satte Farben, Mahagoni- und vergoldetes Holz verwendet, war vordem die ganze Ausstattung der Zimmer hell, in leichten und lichten Farben gehalten, so gelangten von nun ab nur matte distinguirte Stoffe, getäfelte Wände und Plafonds, schwere Möbel aus mattem Eichen- oder Nussholz in Gebrauch. Der Einrichtung entsprach es, dass die Wohnräume sich in lauschiges Halbdunkel hüllten; es war alles wie aus einem Gusse und einheitlich gestimmt. Gleichzeitig mit der deutschen Renaissance fieng man an, die orientalischen Stilarten, aber nur für einzelne Wohnräume, anzuwenden. Vornehmlich die Maler protegirten diesen Stil mit seinen bunten Farben und seinen schwellenden Polstern. Diese Periode kann als die Blüthezeit der österreichischen Möbel-Industrie erachtet werden.

Wenn auch bis zum Jahre 1873 noch kein einheitlich durchgebildeter Stil ausschliesslich zum Durchbruche kam, was ja bei der kurzen Dauer der neuen Bewegung nicht gut möglich gewesen wäre, so zeigte die damalige Wiener Weltausstellung doch schon die grossen Fortschritte auf kunstindustriellem Gebiete. Von den früheren schlechten verschnörkelten Möbeln war auf der Ausstellung nichts mehr zu sehen. Fast durchwegs waren bessere und minder gute Interieurs und Möbel exponirt, welche sich nahezu ausnahmslos in den oben angeführten zwei Stilarten bewegten.

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