JACOB & JOSEF KOHN

FABRIKEN FÜR GEBOGENE MÖBEL

WIEN.

ie Elemente des Holzbiegens waren seit Menschengedenken bekannt, und auch Anläufe zur fabriks- mässigen Ausübung dieses Verfahrens wurden schon zu Beginn dieses Jahrhunderts, speciell in unserem Vaterlande wiederholt genommen; so z. B. weisen die österreichischen Patentarchive Privilegien zur Erzeugung von Radkränzen und Betthäuptern von gebogenem Holze aus den Jahren 18171821 auf. Die nachhaltige fabriksmässige Einführung dieses Verfahrens und dessen Ausbildung zu einem wich­tigen Industriezweige ist jedoch erst der Intelligenz und Thatkraft des bekannten Industriellen Michael Thonet und seiner Söhne zu danken.

Die ersten unter dem Titel «Möbel aus gebogenem Holze» in Handel gekommenen Producte waren, dem Aussehen nach, den gegenwärtigen einfacheren Typen dieser Erzeugnisse ähnlich, und insoferne schon die ältesten, von Michael Thonet und seinen Söhnen erzeugten Möbel epochemachend; nichtsdestoweniger war die Herstellungs­weise und das derselben zu Grunde gelegene System von dem gegenwärtig geübten grundsätzlich verschieden, und ist auch in diesem Falle, wie in vielen anderen, das einfache und bessere Verfahren auf dem Umwege des schwie­rigeren und complicirteren von minderer Verlässlichkeit gefunden worden.

Die ersten Thonetschen Stühle waren nämlich nicht aus einheitlichen Holzstücken erzeugt, auch nicht durch­wegs aus gebogenem Holze hergestellt, vielmehr wurden die Sitze aus ausgesägten, verleimten Holztheilen angefertigt, nur die oberen kreisförmigen Theile der Rückenlehne und deren innere Bogen waren gebogenes Holz, welches in die Hinterfüsse keilförmig eingeschlitzt wurde. Die gebogenen Bestandtheile wurden aus 45 mm starken, mit ein­ander verleimten Holzleisten, die durch warmen Leim elastisch gemacht und auf hölzernen oder metallenen Formen gleichzeitig gebunden und gebogen worden waren, hergestellt. Erst gegen Ende der Fünfzigerjahre übergieng die inzwischen gegründete Firma «Gebrüder Thonet» zu dem allerdings einfacheren und seither so glänzend bewährten System, jeden Bestandtheil aus einem einzigen (massiven) Holzstücke zu biegen; sie benannte ihre Producte auch seither «Möbel aus massiv gebogenem Holze».

Interessant und ein neuer Beleg für den wiederholt vorgekommenen Parallelismus bei Erfindungen und Neu­einführungen ist es, dass die «Zeitschrift deutscher Ingenieure» im Jahre 1857 in ausführlicher Weise zwei in den Vereinigten Staaten von Nordamerika zu Beginn der Fünfzigerjahre in Anwendung gebrachte Maschinen beschrieb, auf welchen Hölzer verschiedener Dimensionen zu mannigfachen Arbeitszwecken der Möbeltischler, Stell­macher und Wagenfabrikanten gebogen werden konnten; ein naturalisir ter Franzose, Thomas Blanchard, aus Bo­ston hat auch auf der Pariser Weltausstellung 1855 mittelst des daselbst ausgestellten Modells einer Biegemaschine das Verfahren demonstrirt, Eichenhölzer in verschiedenen Krümmungen und nach verschiedenen Richtungen zu biegen, und durch die ausgestellten Proben gebogener Möbeltheile sowie zweier Kniehölzer für Schiffsbau von etwa 15 cm Stärke bedeutendes Aufsehen erregt (s. «Amtliche Berichte über die allgemeine Pariser Ausstellung von Dr. v. Viebahn und Dr. Schubarth, Berlin 1856»). Der preussische Juror Bialon will das Biegen von Hölzern von 1 Qua­dratzoll Querschnitt mittelst des Modells der gedachten Maschine des Blanchard persönlich gesehen haben. Blanchard erwirkte für dieses Verfahren im Jahre 1856 ein Patent in Frankreich, ohne dasselbe jedoch auszunützen.

Als die Firma Jacob & Josef Kohn das Zweitälteste Unternehmen dieser Art im Jahre 1867 zu Wsetin in Mähren begründete, erstreckte sich die Fabrication vorerst nur auf 17 Varianten von Stühlen und Armlehn­sesseln, mit etwa 8 g dazu passenden Bänken (Canapés), auf 5 6 Sorten von Schaukelstühlen, ebensovielen Tischgestellen und je einer Façon von niedrigen und hohen Kinderstühlen, nebst einigen anderen Artikeln; alle diese Erzeugnisse waren aus glatten Rundstäben einfacher Art hergestellt. Mit Rücksicht auf diese Beschaffenheit konnte die Verwendung dieser Möbel nur eine beschränkte bleiben, da selbe blos für einfache Wohnräume, vornehmlich aber für Kaffeehäuser und Wirthschaften gekauft w r urden, wobei die Zerlegbarkeit dieser Möbel denselben bereits einen nachhaltigen Export nach überseeischen Ländern zu eröffnen vermochte.

Die Firma Jacob & Josef Kohn hat sich nun von Beginn an das Ziel gesetzt und dasselbe unentwegt verfolgt, den Rahmen dieser Fabrication zu erweitern, und zwar nicht allein durch grössere Mannigfaltigkeit der Production, sondern durch eine neue Richtung, welche die ausschliessliche Herrschaft des Rundstabes beseitigen und auch die Herstellung von Stilmöbeln aus kantigen, mit Fräsungen, Gravuren und Bildhauerarbeit decorirten, gebogenen Stäben in den Kreis der Fabrication ziehen sollte.

Diesen Bestrebungen verdanken reichere, vornehmere Möbelstücke aus gebogenem Holze, die sich den verschiedenen Stilarten (Barock, Renaissance, Gothik) möglichst anpassten, ihr Entstehen.

Schon in den ersten Jahren ihres Bestandes haben die Fabriken der Firma Jacob & Josef Kohn Gestelle für feine Polstermöbel auf den Markt gebracht, die sich in Kürze namhaften Absatz verschafften. Thatsächlich

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