gelang es diesen neuen Formen aus gebogenem Holze, sich allmälig in vornehmeren Wohnräumen einzubürgern und das Vorurtheil gegen die Salonfähigkeit der Möbel aus gebogenem Holze auch im eigenen Vaterlande zu brechen.

Parallel mit dieser Richtung, welche die besprochene Firma seit der Begründung ihres Unternehmens unent­wegt verfolgt hat, war dieselbe gleichzeitig auch um reichere Abwechslung in den Façons bemüht; alljährlich wurden zahlreiche Novitäten, neue, früher aus gebogenem Holze nicht hergestellte Artikel der Bugholzmöbel-Industrie zu­geführt, um endlich zur Herstellung compléter Wohnungseinrichtungen zu gelangen.

Die verschiedenen seit 25 Jahren stattgehabten Ausstellungen gaben ein plastisches Bild der Entwicklung der Fabriken von Jacob & Josef Kohn in den obbezeichneten zwei Richtungen. Auf der Ausstellung zu Philadelphia im Jahre 1876 entwickelte die Firma in einer daselbst zur Vertheilung gebrachten Publication ihr vorgeschildertes Programm und war gleichzeitig in der Lage, auf 14 von ihr ausgestellte verschiedene Möbelstücke hinzuweisen, welche berufen sein sollten, die vollständige Salonfähigkeit gebogener Möbel und die Möglichkeit darzuthun, diesen Industriezweig auf alle Einrichtungsstücke der bürgerlichen und auch der vornehmsten Wohnräume auszudehnen; schon zwei Jahre später, auf der Pariser Weltausstellung 1878, wo der von Jacob & Josef Kohn ausgestellte Pavillon aus gebogenem Holze berechtigtes Aufsehen verursachte, hatte das Haus bereits mächtige Fortschritte in dieser Richtung gezeigt. Ein vornehmes Schlafzimmerinterieur, verschiedene Salongarnituren aus gebogenem Holze im Renaissancestile bildeten die verkörperte Illustration der auf dieser Ausstellung vertheilten programmatischen Pro­specte, welche die Aufmerksamkeit des Publicums auf den in der Bugholzmöbel-Industrie herbeigeführten Umschwung lenken wollten. Auch auf der Antwerpener Ausstellung 1885 hat das daselbst ausgestellte Interieur eines Rauch­salons, der einschliesslich Plafond und Seitenvertäfelungen vollständig aus gebogenem Holze hergestellt war, den Wettkampf mit den Kunstmöbelproducten aller anderen Staaten glänzend bestanden. Auf den Ausstellungen im Jahre 1888 in Barcelona und in Brüssel hat die Firma bereits ausschliesslich kantiges Holz, und zwar, abgesehen von einer grossen Anzahl reicher Phantasieobjecte, zwei complété Salons nebst Speisezimmer und Schlafzimmer zur Aus­stellung gebracht. Ein aus diesen Fabriken stammender, auf der Ausstellung zu Barcelona im Jahre 1888 zur Ex­position gelangter Thronhimmel sowie Thronfauteuils befinden sich gegenwärtig im königlichen Schlosse zu Madrid, während die Königin von Portugal auf der Ausstellung in Brüssel einen grossen Divan mit Himmel für sich erwarb.

Die vorgezeigte Richtung hat schon seit langem aufgehört, als Aufputz der Musterbücher zu dienen. Die kantiggefraisten, mit Bildhauerarbeit und Gravuren decorirten Möbel sind bald Massenartikel geworden. Die Firma Jacob & Josef Kohn beschäftigt allein über 100 Bildhauer und Graveure in ihren Fabriken, welche grösstentheils in einer eigenen Fabrikszeichenschule und in den damit zusammenhängenden Bildhauerwerkstätten ihre Ausbildung erhalten haben. Vor acht Jahren wurde die Holleschauer Fabrik der Firma vornehmlich für die Fabrication von Corpusmöbeln eingerichtet, und werden daselbst complété Speise- und Schlafzimmer einschliesslich allen Zubehörs in grossem Stile erzeugt.

Diese Corpusmöbel finden bereits überall und sogar in den Ländern der höchstentwickelten Möbelfabrication, wie z. B. in Frankreich und England, namhaften Absatz. In Paris selbst gehören die Schlafzimmereinrichtungen der Firma Jacob & Josef Kohn zu den dankbarsten Verkaufsobjecten ihrer dortigen Niederlage. Originelles, gefälli­ges Aussehen, gepaart mit ausgezeichneter Construction, reihen diese jüngsten, aber schon lange nicht mehr unbe­deutendsten Artikel der Bugholzmöbel-Industrie in würdiger Weise an die anderen, ob ihrer Dauerhaftigkeit alt- renommirten Erzeugnisse. Da sämmtliche Gesimse und Friese, ebenso wie die Thürrahmen, Schubladenrahmen u. s. w. aus gebogenem Holze hergestellt sind, und da auch die anderen Constructionstheile, darunter selbst die 2 1 j 2 m hohen Kastensäulen aus gerissenem (nicht gesägtem) Holze erzeugt sind, so gibt es bei diesen Möbelstücken keine gesprun­genen Gehrungen, keine klaffenden Spalten, keine abfallenden Gesimsstäbe. Noch mehr! Sämmtliche Flächen werden aus gekreuzten Fournirplatten, die unter hohem Drucke (3oo Atmosphären) wasserdicht gebunden sind, hergestellt, mit Brandtechnik wasserunempfindlich gemacht, so dass diese Möbel mit feuchten Lappen rasch und bequem ge­reinigt werden können; die Füllungen der Thüren und Flächen sind mit Reliefornamenten verziert. Ueberdies sind auch diese Möbel vollständig zerlegbar und können von jedem Laien montirt werden. Ein selbständiger Katalog von ganz ansehnlichem Umfange vermittelt die verschiedenen Façons dieses Artikels, der trotz seiner Jugend schon einen durchschlagenden Erfolg erzielt hat.

Dabei hat die Firma Jacob & Josef Kohn jedoch keineswegs an die alten Hauptartikel vergessen. Hat die­selbe bei ihrem Entstehen 17 Varianten von Stühlen vorgefunden, so enthält das Musterbuch des Hauses gegen­wärtig mehr als 200 verschiedenartige aus den eigenen Ateliers hervorgegangene Façons von Sitzgarnituren. Ein ab­gelaufenes Patent für die sogenannte vierfache unmittelbare Verbindung der Lehne mit dem Sitze hat eine vollstän­dige Umgestaltung aller älteren Typen der Sitzmöbel aus gebogenem Holze hervorgerufen; ein weiteres vor etwa 20 Jahren erwirktes Patent auf sogenannte Eisenzapfen ermöglichte die Vermeidung der Leimungen bei der Mon- tirung der zerlegt versandten Möbel. Ein ferneres Patent auf auswechselbares Rohrgeflecht gestattete den beliebigen Ersatz von schadhaft gewordenem Rohrgeflechte.

Bezeichnend für die auf Erhaltung des altbewährten Renommées der Bugholzmöbel gerichteten Bestrebungen der Firma Jacob & Josef Kohn ist nachstehendes Rundschreiben des k. u. k. Ministeriums des Aeusseren an die k. u. k. österr.-ung. Consularämter, welches deren Initiative seinen Ursprung verdankt:

«In ihrem summarischen Berichte über die geschäftlichen Verhältnisse ihres Bezirkes während des Jahres 1889 «hat die Handels- und Gewerbekammer in Olmütz bei dem Capitel ,Bugholzmöbel-Industrie' darauf hingewiesen, dass «dieser österreichische Fabrikszweig bei dem Obwalten mancherlei kritischer Verhältnisse die Erhaltung seiner

Die Gross-Industrie. III.

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