sich in den Meerschaum hineinzog. Zu seinem Erstaunen sah der Meister, dass der Meerschaum an der mit Wachs 'vollgesogenen Stelle eine schöne braune Farbe annahm. Diese Thatsache ward bald bekannt und wurde rasch ausgenützt. Ungarn ist daher die eigentliche Heimat der Meerschaumpfeife; indessen fand sie dort wenig Anklang. Wien war es vielmehr, welches deren Werth erkannte und ausnützte.
Der Meerschaum, welcher lange Zeit hindurch als ein in der Luft verhärteter Schaum des Meeres, von einigen Naturforschern sogar für das kalkartige Rückenschild des Tintenfisches gehalten wurde, welches häufig auf dem mittelländischen Meere schwimmend angetroffen wird, ist ein entweder rein weisses, gelblichweisses oder isabellfarbiges Mineral, zum Talkgeschlechte gehörend, und besteht aus Kieselerde, Magnesia, Thonerde, Kohlensäure und Wasser. Die Härte des Meerschaums ist sehr verschieden und kann bei grösserem Kieselerdegehalt so weit steigen, dass er am Stahle Funken gibt. Der Meerschaum, welcher für sich allein nicht geschmolzen werden kann, dagegen sehr hydroskopisch ist, zeigt in der Substanz grosse Verschiedenheit. Bald ist er leicht, bald wieder steinartig schwer; mancher wird durch das Rauchen fester, schwerer, ein anderer dagegen wieder schwammiger und weicher. Eine noch grössere Verschiedenheit zeigt der Meerschaum hinsichtlich seiner Form, und es dürften unter 100.000 Stücken wohl kaum zwei zu finden sein, die sich an Gestalt gleichen. Er wird nämlich nie in zusammenhängenden Massen, wie z. B. Thon, sondern stets nur in einzelnen, knollen- oder nierenförmigen, kleineren oder grösseren Stücken gefunden, die frisch gegraben weich wie Wachs sind, an der Luft aber in kurzer Zeit sich verhärten. Die eigentliche Heimat des Meerschaums war lange Zeit der Mehrheit unbekannt und bildete das Geheimnis einzelner weniger Kaufleute, die dessen Enthüllung um jeden Preis zu hindern suchten. Indessen wurden die Fundorte schliesslich denn doch bekannt. Der Hauptfundort befindet sich bei Eski-Schehr in Kleinasien, woher der schönste und reinste Meerschaum in grossen Stücken bezogen wird. Der sogenannte spanische Meerschaum, welcher sich durch sein marmorähnliches Aeusseres und seine gelblichbraune Farbe wesentlich von dem asiatischen unterscheidet, wird in geringen Quantitäten bei Valecas nächst Madrid gefunden. Die Gruben in Asien erreichen grösstentheils nur eine Tiefe von 3 o— 40 Fuss, und wird die Förderung daher nicht schachtmässig betrieben, sondern nur durch in das Erdreich eingehauene Stufen vermittelt. Der Meerschaum wird in getrocknetem Zustande in Kisten mit 3 o— 1600 Stück verpackt und grösstentheils von Wien aus zu Markte gebracht. Als bedeutendster Händler in diesem Rohproducte ist Franz Jaburek zu nennen, der sich indessen seit kurzem vom Geschäfte zurückgezogen hat.
Anfangs dieses Jahrhunderts brachte das damals neu auftauchende Rohmaterial, der Meerschaum, noch kein sonderliches Leben in das Wiener Gewerbe. Ca. 20—25 Personen beschäftigten sich in Wien mit dem Pfeifenschneiden aus Meerschaum und verbrauchten jährlich 12 —15 Kisten dieses Productes; nach und nach stieg der Bedarf, und im Beginne der Dreissigerjahre wurde schon ein jährlicher Umsatz von fl. 70.000. —- auf dem Wiener Platze erzielt.
Um die Veredelung des Geschmackes und Verbesserung der Ausführung hat sich der in der inneren Stadt etablirt gewesene Pfeifenschneider Sydon Noltze grosse Verdienste erworben; durch ihn wurde der erste Grund zur Anerkennung Wiener Waare im Auslande gelegt.
Im Anfänge der Zwanzigerjahre wurden durch den Drechslermeister Friedrich Reeck, einen Schüler Düno’s, die ersten Bernsteinarbeiten für Rauchrequisiten in Wien angefertigt, welche Artikel für die Montirung der Rauchrequisiten eine damals ungeahnte Bedeutung erlangen sollten; es wurden zuerst flache Pfeifenspitzen, dann türkische und polnische Mundstücke hergestellt.
Der Bernstein, ein durch Wasser und atmosphärische Einflüsse verändertes Harz, war schon den ältesten Völkern bekannt, er wurde in sehr frühen Zeiten an Preussens Küsten gefunden und bei den Griechen zu Frauenschmuck verarbeitet. Auch gegenwärtig wird dieses Rohproduct grösstentheils in Ostpreussen, zuweilen auch an der Elbe und in Dänemark gefunden; die Jahrhunderte alten Gräbereien an der Küste der Ostsee bestehen noch; seit ca. 35 Jahren wird eine Bernsteinbaggerei im kurischen Haff und seit 3 o Jahren eine Taucherei bei Brüsterort in der Ostsee mit bedeutender Ausbeute von der weltbekannten Firma Stantien & Becker betrieben.
Die von Reeck zuerst in Wien erzeugten Bernsteinartikel für Rauchrequisiten wurden später mit den Meerschaumfabrikaten unmittelbar in Verbindung gebracht; in den Vierzigerjahren herrschte bereits ein regelmässiger Zusammenhang zwischen dem Verbrauche von Meerschaum und Bernstein.