auch in Böhmen zu einer ganz bedeutenden Riemenleder-Industrie führten. Repräsentanten derselben sind Heitler in Kladno, W. Pollak in Raudnitz, Plunder & Pollak in Theresienstadt, J. Wosahlo in Daschitz. In der Regel nehmen die Riemenlederfabrikanten auch die Herstellung von Blankleder, welche in Gerbung und Zurichtung sehr verwandt mit der des Riemenleders ist, mit auf, doch finden sich für letzteres auch Specialisten, unter welchen die Firma Franz Woschnagg & Söhne in Schönstein nach wie vor einen ersten Rang einnimmt.

Die Oberlederfabrication hat sich in dem letzten Decennium im ganzen verfeinert, was zumeist durch die in den Fabriksbetrieben eingeführte Theilarbeit veranlasst wurde. Der Verbrauch an gewöhn­lichem Kuhleder hat sich neuerer Zeit erheblich vermindert, demzufolge auch die Production reducirt werden musste. Die Fabrication des Artikels aus dem mittelst der Bandmesser-Spaltmaschine gespal­tenen Kuhleder, welches aus Amerika in grossen Massen zumeist für Zwecke der Schuhfabriken impor- tirt wird, muss hier noch ihre bessere Ausbildung erfahren. Die in neuerer Zeit in Mode gekommenen farbigen Schuhe haben die Herstellung von gefärbtem Kalb- und Rindsschuhleder veranlasst. Wenn auch die Qualität der im Inlande erzeugten diesbezüglichen Leder nicht immer die Höhe der importirten erreicht hat, so wird dies bei dem nun herrschenden Bestreben der Leder-Industriellen nach Vervoll­kommnung ihrer Erzeugnisse sehr rasch der Fall sein. Tüchtiges leisten hierin übrigens schon jetzt Wilhelm Budischowsky in Iglau, Gebrüder Steiner in Graz, Knoch & Co. in Rannersdorf und die Wiener Fellfärber, welch letztere nun auch schon alle anderen feinen Farbenleder zeitgemäss herrichten.

Ein in dem letzten Jahrzehnte in Oesterreich neu aufgenommener Artikel sind die feinen Natur- und farbigen Reitzeug- und Galanterie-Kuhleder und Sättel- und Galanteriewaaren-Schweinshäute. Diese feinen Ledersorten wurden zuerst von Gebrüder Steiner in Graz gearbeitet; in neuerer Zeit auch von mehreren anderen Fabriken wie Franz Woschnagg & Söhne in Schönstein, Jos. Poeschls Söhne in Rohr­bach, Carl Budischowsky & Söhne in Trebitsch u. a. Die Qualität dieser Fabrikate ist trotz des hier dafür verwendeten ungünstigen Hautmaterials eine so gediegene, dass davon nach Deutschland, Frank­reich und England, woher sie früher importirt wurden, nunmehr exportirt wird.

Chromleder. Das Chromleder, welches neuestens in Amerika eine grosse Rolle spielt und auch bereits in Europa seinen Einfluss geltend macht, wurde schon seit 1879 von den Gebrüdern'Steiner in Graz nach Angabe der k. k. Versuchsstation für Leder-Industrie fabriksmässig hergestellt.

Der grosse Aufschwung, welchen die Leder-Industrie durch den Fabriksbetrieb genommen, hatte, wie dies auch in anderen Branchen geschah, den Untergang vieler kleiner Gerbereien zur Folge. Seit 3 o Jahren sind mehr als die Hälfte der seinerzeit bestandenen Rothgerbereien eingegangen, viele andere giengen in fremden Besitz über. Derselbe Process vollzieht sich, und zwar noch viel rapider, in der Weiss- oder Glacegerberei. Durch Zollverhältnisse wurde der Export in Glaceleder und Handschuhen nach Amerika unmöglich; es sank das Verbrauchsquantum von Glacöleder auf die Hälfte herab, welches nun durch einige Fabriken, die sich in Prag und Brünn etablirten (F. Mehlschmidt in Prag, Ludwig Jellinek und Adolf Jellinek in Lieben, J. Kristen in Brünn), nahezu voll gedeckt wird.

Werfen wir einen Rückblick auf die Entwicklung der österreichischen Leder-Industrie in der Zeit der letzten 50 Jahre, so werden wir erkennen, dass die noch zu Beginn dieser Zeitperiode herrschenden patriarchalischen Verhältnisse, bei welchen der Gerber mit mässiger Intelligenz, einigem Fleiss und Be­triebsfond sein gutes Auskommen fand, zwar ein- für allemal vorüber sind, dass aber dieser Industrie­zweig auf den Bahnen des Fortschrittes, in welche ihn wissenschaftliche Errungenschaften und volks- wirthschaftliche Verhältnisse gedrängt haben, bald eine der ersten Stellen in der österreichischen Gross- Industrie einnehmen wird.