fabrik eine ungewöhnliche Intelligenz und Arbeitskraft, welcher aber auch ganz enorme Geldmittel zur Seite stehen müssen, beansprucht, dürfte erkennen lassen, was für einen besonderen technischen Apparat eine solche Fabriksanlage erfordert.

Von sehr kleinen Anfängen vor kaum mehr als fünfzig Jahren ausgehend, ist die Gummi-Industrie dank der unvergleichlichen Brauchbarkeit ihres Rohmaterials in der Lage gewesen, sich in einer ver­hältnismässig so kurzen Zeit zu einer Achtung gebietenden Stellung emporzuschwingen. Betrachten wir den Lebenslauf eines civilisirten Menschen, und wir werden keinen Abschnitt in seinem Leben finden, in welchem er die Fabrikate entbehren kann, deren Grundstoff Gummi ist. Bei seiner Geburt schon sind eine Anzahl von chirurgischen Instrumenten in Action, welche, ganz oder theilweise aus Gummi bestehend, ihm und seiner Mutter Erleichterung und Linderung verschaffen. Unmittelbar darnach wird er in ein gummirtes Linnen gewickelt, welches ihn während seines ersten Lebensjahres wohl niemals verlässt. Geniesst er nicht den Vorzug, an der mütterlichen Brust genährt zu werden, so vertreten Sauger aus Gummi die Stelle derselben. Sein erstes Spielzeug pflegt eine Gummipuppe zu sein, welche dem Säuglinge keinen Schaden bereiten, andererseits aber auch von ihm trotz aller Anstrengungen nicht zerbrochen werden kann. Sein Kinderwagen erhält gummiüberzogene Räder, nicht nur im Interesse des kleinen Fahrgastes, sondern auch wegen des lästigen Geräusches, das sein Fahrzeug sonst verursachen würde. Zu seiner Toilette gehört schon in den ersten Lebensjahren manches mit Gummi verarbeitete Stück, seine Haare werden ihm mit einem Gummikamme geordnet, er spielt mit Gummiballen, wenn er laufen gelernt hat, erhält einen Radirgummi, wenn sein Unterricht beginnt, und betreibt er später einen Sport, so spielt Gummi gewiss dabei auch eine Rolle, und nun gar erst, wenn er in das praktische Leben eintritt! So-geht es fort, gleichgiltig ob bei Mann oder Weib, bis zum Lebensende.

Allein diese, wenn auch noch so vielseitige Verwendung von Gummi für den persönlichen Gebrauch wird bei weitem von seiner Inanspruchnahme zu industriellen und technischen Zwecken über­troffen. Die Dampfrohre und die Kesselverschlüsse werden am besten mit Gummiplatten verdichtet, die Pumpen mit Gummiklappen versehen, Kolbenstangen mit Gummipackungen dampfdicht gemacht, an Stellen, wo fixe Rohrleitungen nicht angebracht werden können, Gummischläuche verwendet; wo es gilt, harte Stösse zu mildern, werden Gummipuffer eingelegt, bei nassen Betrieben ersetzen Gummitreibriemen die sonst üblichen. Bei Dampfschiffen und Eisenbahnen spielt Gummi eine weit grössere Rolle, als dem Laien­auge erkennbar ist; wenn man indes nichts anderes als die Einführung der Dampfheizung auf Eisen­bahnen, welche nur durch Gummischläuche ermöglicht wurde, berücksichtigt, oder die Bedeutung der Vacuumbremse, welche ebenfalls nur mit Gummischläuchen installirt werden kann, für die Sicherheit und Annehmlichkeit des reisenden Publicums ins Auge fasst, so kann man unschwer zur Ueberzeugung gelangen, dass das moderne Leben ohne Gummi eine wesentlich andere Gestalt annehmen müsste, als es heute besitzt. Es ist noch eine offene Frage, welche Rolle die Luftschiffahrt in der Zukunft zu spielen berufen ist; jedoch lässt sich heute schon mit Bestimmtheit behaupten, dass bei derselben Gummi eine wichtige Rolle spielen wird. Trotz aller Bemühungen ist es vorläufig nicht gelungen, an Stelle des bisher üblichen Ballons aus gummirtem Stoffe etwas anderes zu setzen.

Die Krone aller Errungenschaften dieses merkwürdigen Productes bildet jedoch der Pneumatic, welchem in der Hauptsache allein die Fahrrad-Industrie ihren kolossalen Aufschwung zu danken hat. Wir glauben nicht nöthig zu_ haben, hierüber viel Worte zu verlieren, und constatiren nur die erfreuliche Thatsache, dass dieses modernste Vehikel nicht, wie ursprünglich angenommen wurde, lediglich Sport­zwecken dient, sondern heute schon als unentbehrliches Fahrzeug für Berufszwecke anerkannt ist.

Auch als Bekleidungsartikel hat sich Gummi ein bedeutendes Terrain erobert; Regenmäntel waren stets ein gleichmässig begehrter Bedarfsartikel, während das Tragen von Gummischuhen in grossen Städten allerdings zeitweilig weniger favorisirt ist, dagegen in der Provinz immer einem dringenden Bedürfnisse der Bevölkerung abzuhelfen berufen war.

Zum Schlüsse verweisen wir noch kurz auf die Ausdehnung, welche die Verwendung von Gummi- waaren in der Chirurgie und Krankenpflege gewonnen hat. Ein Blick in ein modernes Spital lehrt die Mannigfaltigkeit der chirurgischen Gummiwaaren kennen. Dasselbe ist bei der Chemie der Fall, welche ohne Gummi für Laboratoriumszwecke einen sehr schweren Stand hätte. Charakteristisch für die Omni-

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