potenz, welche dem Gummi vielfach zugeschrieben wird, ist die Erscheinung, dass in den letzten Jahren nahezu keine Entdeckung gemacht wurde, bei welcher nicht zunächst Gummi in Combination gezogen wurde.

Im Gegensätze zu der für diesen Industriezweig bahnbrechenden Thätigkeit des Oesterreichers J. N. Reithoffer blieb die Gummi-Industrie gerade bei uns sehr lange vernachlässigt, und es bestand ausser einigen Elastiquesfabriken nur das von Reithoffer gegründete Etablissement für die gesammte Weich- und Eiartgummibranche. Demgemäss war der Import in solchen Waaren bis 1881 ein sehr bedeutender. Es konnte daher eine damals von Schnek, Kohnberger & Mandl in Breitensee bei Wien errichtete zweite Weichgummifabrik umsomehr auf Prosperität rechnen, als alle sonstigen Momente, die zum Gedeihen eines solchen Unternehmens unerlässlich sind, gegeben waren. Nachdem die Reithoffersche Fabrik schon zu Beginn der Siebzigerjahre an eine Actiengesellschaft übergegangen war, wurde auch die früher genannte Anlage in Breitensee im Jahre 1889 in ein grosses Actienunter- nehmen umgewandelt, welches nicht nur das ursprüngliche Etablissement wesentlich erweiterte, sondern, den Verhältnissen in Ungarn Rechnung tragend, aus einer kleinen Gummifabrik in Budapest eine Actien­gesellschaft bildete, bei welcher die Breitenseer Gesellschaft heute noch stark interessirt ist, demgemäss auch auf ihre Leitung einen wesentlichen Einfluss übt. Wenn man hierzu noch die inzwischen ebenfalls gewachsene Elastiquesfabrication mit einbezieht, so repräsentirte sich diese Branche bereits anfangs dieses Jahrzehnts recht stattlich. Inzwischen sind auch zwei kleinere Unternehmungen in Böhmen mit deutschem Capitale ins Leben gerufen, in Steyr eine Gummistoffabrik zu einer Weichgummifabrik erweitert, endlich im letzten Jahre eine in Wysocan bei Prag gross angelegte Filialfabrik der Oester- reichisch-amerikanischen Gummifabriks-Actiengesellschaft in Breitensee bei Wien in eine selbständige Actiengesellschaft verwandelt worden. Auch bei dieser jungen Actien-Gummifabrik macht die Oester- reichisch-amerikanische Gummifabriks-Actiengesellschaft ihren Einfluss als Elauptbetheiligte geltend.

Da einige dieser Unternehmungen, insbesondere die Vereinigte Gummifabrik vormals Menier- J. N. Reithoffer und die Oesterreichisch-amerikanische Gummifabriks-Actiengesellschaft in Breitensee bei Wien ganz gewaltige Etablissements besitzen, in denen die gesammten Weich- und Hartgummiartikel in vorzüglichen Qualitäten erzeugt werden, andere Fabriken hingegen manchen Specialartikel (wie z. B. Buda­pest Gummispielwaaren und Wysocan bei Prag Patentgummiwaaren) besonders pflegen, so ist unser Vaterland, in welchem Gummi zu Beginn der Regierung unseres Kaisers kaum dem Namen nach bekannt war, bei dessen fünfzigjährigem Regierungsjubiläum in Bezug auf Herstellung und Deckung des ein­heimischen Gummibedarfes vollständig unabhängig vom Auslande, ja im Osten Europas sowie in der asiatischen Türkei in einigen Artikeln, insbesondere in Schuhen und Mänteln, sogar gegen andere Culturstaaten concurrenzfähig. Leider sind auch in dieser Branche dem Exporte so viele Momente hinderlich, dass sie sich in der Hauptsache darauf beschränken muss, die besser situirten Concurrenz- länder durch die specifisch österreichische Eigenthümlichkeit, gute Mittelwaare mit ausgezeichnetem Geschmacke herzustellen, zu bekämpfen, was ihr auch bei allen confectionirten Artikeln leicht gelingt.

Während andere Industrien ihren Beginn in eine weit zurückliegende Zeit verlegen müssen, können wir diesen Abriss der Geschichte der österreichischen Gummi-Industrie mit der Bemerkung schliessen, dass alles, was in derselben überhaupt geleistet wurde, im Zeitalter unseres Kaisers geschehen ist, Allerhöchstwelcher diese heute so wichtige Industrie von ihren ersten Kinderjahren bis zu ihrem reifen Mannesalter verfolgen, sie entstehen und wachsen sehen konnte.

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