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Ins innerste Afrika : Bericht über den Verlauf der deutschen wissenschaftlichen Zentral-Afrika-Expedition 1907 - 1908 / von Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg
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Kommen. Wiese fand beispielsweise bei den vielen Hunderten von Mustern, die er kopierte, immer wiederkehrende Formen mit häufig wechselnden Neben- zeichen. Sie bedeuteten nach Aussagen der Eingeborenen Stammesabzeichen, an denen die Mitglieder ihre Zusammengehörigkeit zu erkennen scheinen. Die Ziernarben, die bei den Bewohnern des Albert Eduard-Sees und des gesamten Kongo-Beckens am stärksten ausgeprägt zu finden sind, werden durch eine Reizung resp. künstliche Entzündung der Haut hervorgerufen. Diese wird in der Form des gewünschten Musters mit einem Messer ge­ritzt. Die Wunden scheinen alsdann mit allerlei pflanzenstosf und Schmutz, bei welchem der Kuß eine große Kolle spielt, beschmiert zu werden, wodurch sie anschwellen, oft zu fabelhafter Dicke. Bei den Vangala, dem Hauptstamm des Mittel-Kongo, sahen wir auf der Stirne Karbenwulste, die fast die Höhe von 2 cm erreichten. Man findet ungezählte Variationen, in denen die Halbmondform am meisten wiederkehrt.

Wiese und ich fanden viel Arbeit vor, da eine ungeheure Post uns erwartete, vor allem mußten neue Dispositionen ausgegeben werden. Das verbündete paar Weiß-Kirschstein erhielt detaillierte Nachrichten über unseren nunmehr einzuschlagenden Weg und über unsere Absichten. Mohasi-West wurde von der Ankunft benachrichtigt. Lin Brief, für Hauptmann von Grawert bestimmt, wurde nach Niansa gerichtet und bald flogen die postbefördernden Askari-Patrouillen nach allen Seiten ab. Zwei volle Tage hielt uns die Erledigung schriftlicher Arbeiten ans Zelt gefesselt und die Nomaden wurden zu seßhaften Leuten.

Nachdem Wintgens bereits tags zuvor zum Westende des Sees auf­gebrochen war, folgten Wiese und ich am 30. Anfangs bewegten wir uns auf ziemlich bequemen Pfaden, die sich an oder auf den Bergen hinzogen und ab und zu einen Blick auf den schmalen, langgestreckten Spiegel des Mohasi-Sees gestatteten. Dann verlor sich der Pfad in tiefen Schluchten oder führte quer über hohe Kuppen dahin, wodurch die Kräfte der lasten- tragenden Mannschaft aufs äußerste angespannt wurden. Mehrere Wasser­läufe wurden durchschritten, die den Ermüdeten willkommene Trquickung boten. Längst hatten wir den Kücken der Maultiere verlassen, die bei dem steilen Anstieg wiederholt mit den Knien den Erdboden berührten. Da verließen auch manchen der Träger die Kräfte; manch einer warf die Last ab und sank erschöpft zu Loden. Zudem ließ in den letzten Tagen die Gesundheit des Oberleutnant von Wiese zu wünschen übrig. Die Folgen