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Ins innerste Afrika : Bericht über den Verlauf der deutschen wissenschaftlichen Zentral-Afrika-Expedition 1907 - 1908 / von Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg
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war da zu machen? Der Wille und Verstand des Europäers erwiesen sich machtlos gegenüber dem Fatalismus und Stumpfsinn des Negers. Mit Nufbietung des letzten Funkens Willensstärke kämpfte ich mich mit meinen beiden Nskari und einigen wenigen Leuten, bis zu den Knien im eiskalten Wasser watend, durch Schnee und Sturm geradenwegs zum Kraterrand durch. Hier errichteten wir im Schutz der Bäume in Eile ein Notlager, machten Feuer. Dann ging es an das Nettungs- werk. Immer wieder drang ich, nur von den beiden Nskari begleitet, in den weglasen Sumpf vor und einen Unglücklichen nach dem anderen brachten wir so zum rettenden Lagerfeuer an. Die Lasten sollten liegen bleiben, hatte ich besohlen; wenn nur die Menschen gerettet werden. Nber schließlich versagten auch uns die Kräfte.Herr, wenn wir noch einmal hinaus sollen, dann kommen wir nicht mehr lebend zurück; wir können nicht mehr!" erklärten mir die Nskari, und ihr Nnblick sprach nur zu deutlich für die Wahrheit des Gesagten. Diese Braven hatten wirklich alles Menschenmög­liche geleistet. Jetzt waren sie am Ende ihrer Kräfte angelangt. Die anbrechende Dunkelheit mußte zudem jeden weiteren Rettungsversuch aus­sichtslos machen, da die infolge des hohen Schilsgrases unsichtbaren, bereits nahezu erstarrten Unglücklichen überhaupt nicht mehr auf unsere Nnrufe zu antworten vermochten. Es blieb uns somit nichts anderes übrig, als sie bis zum nächsten Morgen ihrem Schicksal zu überlassen.

Völlig durchnäßt, ohne Zelt, die vor Erregung und Kälte zitternden Glieder nur in eine Decke gehüllt und eng aneinander geschmiegt so ver­brachten wir eine schlaflose Nacht am Lagerfeuer, um bei Morgengrauen gleich wieder an die Bergungsarbeit zu gehen. Ich sage Bergungsarbeit, nicht Nettungsarbeit! Denn, was es nach dieser Nacht noch zu retten gab, war herzzerreißend wenig. Nur einige der Unglücklichen, darunter mein Trägerführer Salim, zeigten noch eine Spur von Leben; sie konnten gerettet werden. Die anderen alle Zwanzig an der Zahl, d. h. nahezu die Hälfte meiner gesamten Karawane lagen als Leichen im Schnee. Unter tropischer Sonne erfroren! Die Gesichter im Todeskamps gräßlich verzerrt, die Finger tief in den sumpfigen Kraterboden eingewühlt, so lagen sie da. Lin furchtbarer Nnblick für uns, die wir zu ihrer Bettung zu spät kamen.

Nur ein Gedanke beherrschte mich: fort, möglichst weit fort von der Stätte des Todes! Die Lasten freilich mußten liegen bleiben, darunter meine