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Ins innerste Afrika : Bericht über den Verlauf der deutschen wissenschaftlichen Zentral-Afrika-Expedition 1907 - 1908 / von Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg
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meinerseits noch immer jede Nachricht fehlte, so fing sein Schweigen an, Besorgnis zu erregen. Jedenfalls mußten wir uns mit dem Gedanken vertraut machen, den liebenswürdigen, stets humorvollen Reisegefährten zu entbehren. Ich will gleich vorausschicken, daß unsere Befürchtungen sich leider bewahrheiteten. Als wir bereits die Wanderung im dichten, schattigen Urwalde begonnen hatten, traf die Nachricht von dem Unglück aus dem Karissimbi ein, das Kirschstein die Hälfte seiner Trägermannschaft kostete. Wie sich dann erst in Deutschland herausstellte, war die aggressive Haltung der Eingeborenen südöstlich des Vulkans Muhawura, insonderheit der Angriff des Häuptlings Lukara, an allen Verzögerungen Schuld gewesen. Dieser Sultan hatte mit vielen Kriegern der Karawane des Geologen aufgelauert und ihr den Weg versperrt. Als bald daraus die ersten Pfeile über Kirschsteins Kopf Hinwegslogen, hatte er sich zur Verteidigung genötigt gesehen. Lin Gefecht war bald im Gange. Trotz heftigen Feuerns wollte aber der Feind nicht weichen. Immer wieder wurden die feindlichen Bogenschützen durch einen Kerl in roter Toga, der mit wilden Bewegungen vor ihnen einhersprang, angefeuert. Diesen nahm sich Kirschstein aufs Korn und es gelang ihm, den Unhold zu Boden zu strecken. Nun erst begannen die Horden, ihres Führers beraubt, zu weichen. Kirschstein befand sich aber trotzdem in einer schwierigen Situation, denn als er nach dem Kampfe die Patronen zählen ließ, ergaben sich als Endsumme nur noch elf für die ganze Karawane. Um also einem erneuten Angriff nach Möglichkeit vorzubeugen, wurden durch einen Nuser schreckliche Drohungen für den Wiederholungsfall ins Sand geschleudert und fürchterliche Strafen angekündigt. Diese Einschüchterungs­versuche erfüllten ihren Zweck,- Kirschstein wurde von jetzt an in Frieden gelassen.

Da es ihm aber an Verpflegung zu mangeln begann, sandte er Briefe mit der Bitte um Nahrungsmittel an mich. Gleichzeitig forderte er Instruk­tionen und Auskünfte über die Absichten der Hauptkarawane. Ich habe diese Briefe niemals erhalten, ebensowenig wie Kirschstein die meinigen, die dringend Aufklärung über seinen verbleib forderten. Sie sind von den postbefördernden Boten, die sich aus Eingeborenen rekrutierten, wohl einfach fortgeworfen worden, wenn sie ihnen nicht sogar gewaltsam entrissen wurden. So ohne jede Nachricht und aufs Ungewisse hin war ein ferneres Zögern zwecklos. Beni und Nutschuru wurden daher durch ganz sichere Boten benachrichtigt und Briefe für Kirschstein dort deponiert.