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aber haben wir die durchgehende Erfahrung, dafs diejenigen, welche die früheren Jahre ihrer Bildung verfäumt haben, diefes Verfäumnifs meiftens nie mehr, oder fehr feiten und nur mit grofser Aufbietung aller Kräfte nachholen. Ein alter Gymnafiaft und noch älterer Student wird trotz feiner gereifteren Erfahrung, rückfichtlich der Möglichkeit der Erreichung eines befferen Zieles feiner Studien mit Recht immer zweifelhaft angefehen. Das Sprichwort: »Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr«, ift fo wahr als irgend eines. Und bei dem weiblichen Ge- fchlechte follte das nicht, und nicht noch in erhöhtem Grade fich geltend machen? Ich follte meinen, ein grofser Theil der Widerwärtigkeit fogen. Blauftrümpfe 'behände gerade darin, dafs fie eine fehr geringe geiftige Beweglichkeit und Empfänglichkeit zeigen; der von ihnen eingefam- melte Vorrath an Wiffen ift abgefchloffen, und fie zeigen fich unfähig noch weitere geiftige Eindrücke in fich aufzunehmen und zu verbreiten. Wie will man es alfo recht- fertigen, dafs Mädchen und kinderlofe Frauen in ihrem 25. oder 26. Jahre erft anfangen follen zu ftudiren und doch noch irgend ein befferes Ziel als das einer handwerks- mäfsigen Abrichtung erreichen?!
Eine Gymnafialbildung für Mädchen mtifste ferner mit Nothwendigkeit auch eine allgemeine, für Alle zugängliche fein. Man wird doch wohl nicht fchon im 10. oder 12. Jahre beftimmen oder erwarten können, dafs fich bei dem Mädchen die Neigung und Befähigung zum dereinftigen medicinifchen Studium vorfindet, fondern diefelbe kann jedenfalls erft fpäter hervortreten. Höchft wahrfcheinlich würde fie fich nur bei einem kleinen Bruchtheil der Gymnafia- ftinnen ausbilden. Was will man mit den Uebrigen anfangen? Unzweifelhaft find fie fo gut wie ihre Colleginnen zum Studium der Medicin, zum Studium der Jurisprudenz, Theologie, Philofophie, Philologie, Gefchichte etc. berechtigt und befähigt! Wie ift es? Sind unfere Staats-