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Das Studium und die Ausübung der Medicin durch Frauen / beleuchtet von Dr. Theodor L. W. von Bischoff
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hinter dem Ofen her! Dadurch lerne ich nicht mehr von den Urfachen, dem Wefen und den Heilmitteln gegen die Krankheiten, denn eine unmittelbare Anwendung giebt es nicht; ich pfropfe mir nur mit all dem unnützen Zeug den Kopf voll, den ich mir beffer mit Recepten und pradtifchen Hand- und Kunftgrififen anfülle! Bei dem Studenten führt der Mangel an gutem Willen, an Fleifs und Eifer, der Leichtfinn, die Zerftreuung und Vergnügungsfucht leider nur .zu gewöhnlich auf diefen Weg. Bei der Studentin wird er eine naturnothwendige Folge der Befähigung der weib­lichen Natur fein. Bei Jenen giebt es Ausnahmen, bei Diefen find fie nicht möglich.

Dazu nun die dem weiblichen Zartgefühl, der Weich­heit des Charakters, der Empfindlichkeit der Sinnesorgane, der Lebhaftigkeit der Phantafie, dem Schamgefühl ganz und gar wiederftrebende Befchäftigung mit der Leiche des menfchlichen Körpers. Ich bin ein alter abgehärteter Anatom, den in anatomifcher Hinficht der Spruch: Natura- lia non funt turpia, längft unempfindlich gemacht hat. Aber ich kann mir doch Nichts Abftofsenderes und Wider­wärtigeres denken, als ein junges Mädchen, befchäftigt am Secirtifch oder bei der Sektion einer menfchlichen Leiche. Ich will mich nicht mit Ausmalen der Scenen befchäftigen, welche dabei nothwendig und unvermeidlich Vorkommen müfsen; aber mich ergreift ein Ekel, wenn ich mir bei denfelben ein weibliches Wefen befchäftigt denke. Welche Verläugnung aller Weiblichkeit, welche Ueberwindung ge­hört dazu, auch wenn ich mir Alles in den beften Formen und zu dem edelften Zwecke denke. Wie mancher Mann bedarf der ftärkften Berückfichtigung des Zweckes und der höchften Abftradltion von dem Mittel für den Zweck, um das Abfchreckende der Leiche und der Befchäftigung mit ihr zu überwinden. Es ift die Pflicht und die Aufgabe des Mannes, das zu überwinden. Für das Weib ift das nicht mög­lich, oder es ift ein Zeichen der äufserften Rohheit des Ge-