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spruche zwischen Sollen, Wollen und Können, unter dem das weibliche Geschlecht heute leidet, in seinem Wirken und Leisten sich gehemmt suhlt. Aus wirtschaftlicher Noth der einen und einem unvermuteten Überschüsse an Schaffenskraft der anderen ist die Frauenbewegung, die so mächtig die Gegenwart beherrscht, hervorgegangen. Die verbesserte Erziehung, der erweiterte Unterricht muss daher folgerichtig deren oberste Forderung sein. Der Schwerpunkt dieser Forderung scheint uns aber nicht dort zu liegen, wo die Töchter des Mittelstandes, der gebildeten und besitzenden Classen um ihr gutes Recht nach geistiger Entfaltung und wirtschaftlicher Unabhängigkeit kämpfen, sondern dort, wo die Töchter der Armut in langen Reihen ausrücken in den harten Kamps ums tägliche Brot, ohne jede andere Ausrüstung als den guten Willen, ohne jeden anderen Führer als die Noth, dort, wo die arbeits- müden, sorgenbelasteten Frauen in ihrem ohnehin durch den Erwerbszwang verkümmerten Walten im Hause noch durch Mangel an Kenntnissen geschädigt werden: Nicht an der verschlossenen Pforte des Gymnasiums, sondern dort, wo die sich schließende Thür der Volksschule für die Mehrzahl der Mädchen den Abschluss alles Wissens, aller Bildung für das Leben bedeutet." —
Man muss also vor allem den außerhalb dieser Thüre liegenden Boden daraufhin ansehen, ob er wirklich so unergiebig ist, als es scheinen mag, ob sich mit ihm thatsächlich nichts anfangen lässt, oder ob er nicht, wenigstens allmählich, durch rationelle Bewirtschaftung urbar und fruchttragend gestaltet werden könnte. Allerdings, nicht wenig Mühe und Arbeit würde dies kosten; auch müsste man von vorneherein das eingewurzelte, in unserer historisch überkommenen Anschauungsweise gegründete Vorurtheil ablegen, als sei es mit der Würde der Verwaltung nicht recht vereinbar, ihre Fürsorge in erster Linie anscheinend niederen Regionen ungehörigen, aber nichtsdestoweniger wirtschaftlich sehr bedeutsamen Aufgaben zuzuwenden. Vielleicht klingt es in einem Programme weniger gut, von einer Unterweisung und Erziehung von Dienstboten, Arbeiterinnen, Pflegerinnen u. s. w. zu reden, als von Schulen für Kunststickerinnen, für Maltechniken u. dgl., welche ihre Jüngerinnen mit einem wahren Jammerlohn für das Leben entlassen.
Bei den erforderlichen „technischen Vorarbeiten" wird man gut thun, die in Betracht kommenden weiten Gebiete nach den Hiebei verfolgten Zielen in gewisse Gruppen zu scheiden. Eine genaue Grenzlinie kann da zwar nicht gezogen werden, da die Gestaltung der Anforderungen durch das Leben selbst eine zu labile und mannigfache ist-