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Dr. Barnardo's Homes : (Rettungs- und Wohlfahrts-Anstalten) / von Katharina Migerka
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die durchschnittlich 8 Schuh im Quadrat nicht übersteigen, von 612 Personen, theilweise auch aus Aftermiethern bestehend, bewohnt werden.

Dass diese Wohnungen selbst den allerniedrigsten Forderungen des AVohlbehagens, der Reinlichkeit und der Gesundheit geradezu Hohn sprechen, ergibt sich bei der Armuth der Bewohner und den obwaltenden Verhältnissen von selbst. Unsittlichkeit, Trunksucht, Unfrieden und Laster aller Art sind die Folgen.

Die dunkelste Seite aber in dem Buche dieser Mil­lionenstadt ist das herzzerreissende Kinderelend, das ver­borgen wie auf offener Strasse und in einem Umfange wie vielleicht sonst nirgendwo zu finden ist. Statistischen Er­hebungen zufolge werden an 30.000 Schulkinder als schlecht genährt bezeichnet. Bei einem grossen Theile derselben erscheinen die physische Entwicklung und die geistige Empfänglichkeit durch den Mangel an Nahrung in Frage gestellt. Gegen Kinder verübte Grausamkeiten bilden einen nicht kleinen Theil des bemerkten Elendes. Am beredtesten spricht dafür die Thatsache, dass sich in London in den letzten Jahren ein eigener Verein gebildet hat, der es sich zur Aufgabe gestellt hat, Kinder vor Grausamkeiten zu schützen und für solche an ihnen ver­übte die Bestrafung zu erwirken. Der Verein hat seit seinem Bestehen schon 10.169 Fälle durchgeführt, und sind bisher als Strafen 376 Jahre Gefängnis verhängt worden.

Von den 50.000 Menschen, die in London jährlich sterben, entfallen durchschnittlich 21.000 auf Kinder unter zehn Jahren, und kaum ein Drittel dieser Zahl kommt auf die Kinder wohlhabender Eltern. Dass Kinder mit Be­wusstsein zu Tode gemartert werden, um die Versiche­rungssumme von I 5 zu gewinnen, dass entartete Mütter ihr Kind dem Erstbesten für wenige Schillinge ver­kaufen, um von dem Schandgelde dem Laster des Trunkes zu fröhnen, sind nicht selten anzutreffende Erscheinungen. 88.000 Kinder sollen jährlich aus den Volksschulen ent­lassen, halb erzogen und mehr oder weniger sich selbst überlassen, in den Strassen Londons sich herumtreiben.

Trostlos und die physische und moralische Gesund­heit gefährdend ist das Nachtleben der Londoner Strassen-