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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Dritter Band
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Die Weltausstellung in Paris im Jahre 1878 war ein sehr willkommener Anlass, die Leistungsfähigkeit der jungen Firma zu zeigen. Der berühmteste Musikkritiker unserer Zeit, Eduard Hanslick, schrieb über die Riegerschen Erfolge in Paris: «Mit Stolz blicken die Franzosen auf ihre Meister im Orgelbau. Dies erhöht den Werth der An­erkennung, welche die österreichischen Orgelbauer, Gebrüder Rieger aus Jägerndorf in Schlesien, auf der Pariser Weltausstellung gefunden. Die von Rieger ausgestellte grosse Orgel (Kegelladensystem mit trefflich construirtem Schwellwerk, alles geräuschlos und präcise arbeitend) ist für Norwegen bestimmt, ein günstiger Beleg für das Ab­satzgebiet dieser sehr jungen Firma, deren Name zum ersten Male auf der Wiener Weltausstellung 1873 auftauchte. Wenn wir Rieger bloss den besten Orgelbauer Oesterreich-Ungarns nennen wollten, hätte das eben nicht viel zu bedeuten, desto mehr zu bedeuten hat sein grosser, echter Erfolg in Paris. Wir werden fortan nicht nöthig haben, Orgeln für Wien aus dem Auslande kommen zu lassen.»

Von dieser Zeit an blühte das Geschäft so rasch empor, dass die vorhandenen Arbeitsräume sich abermals als zu klein erwiesen und die Firma daran gieng, eine Fabrik zu bauen. Ein nahezu 170 ha umfassender Grundcomplex wurde erworben und im Jahre 1879 der Bau begonnen. Das eigentliche Fabriksgebäude ohne die Nebengebäude ist 100 m lang, 21 m breit und zwei Stockwerke hoch. Die ehemalige Dampfmaschine von 40 HP konnte die er­forderliche Arbeit nicht mehr leisten, sie musste deshalb einer 125 HP starken Maschine weichen.

Wer die geräumigen Arbeitssäle der Fabrik betritt, geht mit Vergnügen von Maschine zu Maschine und bewundert die Thätigkeit jeder einzelnen. Es stehen heute 3 Flobelmaschinen, 2 Band- und 4 Kreissägen, 3 Bohr­maschinen für Holz, 3 Fraismaschinen, 1 Holzschleifmaschine, 1 Holzdrehbank, diverse Schleif- und Schärfmaschinen zur Holzbearbeitung, 2 Bohrmaschinen für Metall, 2 Stanzen, 2 Gewindschneidemaschinen, 1 Hammerwerk, 1 Dreh­bank und diverse kleinere Maschinen für die Metallbearbeitung in Verwendung. Besonderes Interesse erregen die Mechanik-Kreissägen, die so fein und zart arbeiten, wie es der feinste Hobel nicht schöner im Stande ist. Mittelst derselben werden die zierlichsten mechanischen Orgelbestandtheile mit geradezu mathematischer Genauigkeit her­gestellt. Ein Exhaustor saugt bei jeder einzelnen Maschine alle Holzabfälle auf und führt sie dem Separator zu, der in der Nähe des Dampfkessels seinen Standort hat. Ferner ist eine Dynamomaschine für die Beleuchtung und zur Kraftübertragung, sowie zum Löthen der Metallpfeifen mittelst elektrischen Stromes installirt.

Die stilgerechten Verzierungen aller Art, welche beim Orgelbaue Verwendung finden, werden durch geübte Bildhauer in der Fabrik geschaffen. Das Comptoir ist so praktisch angelegt, dass man von demselben den grossen Arbeitssaal überblickt. Hierselbst entfalten auch die Zeichner ihre Thätigkeit. Vom Guss der Zinnplatten angefangen bis zur fertigen Zinnpfeife kann man alle Arbeiten verfolgen. Als den Krystallisationspunkt der Fabrik muss man die beiden Orgelsäle bezeichnen. Hier strömen die Erzeugnisse der ganzen Fabrik zusammen und werden zum mächtigen Ganzen zusammengefügt. Jede Orgel wird im Orgelsaale vollkommen fertiggestellt und erst dann in die Welt versendet, wenn sie als der Firma würdig befunden wurde.

An Material wird nur das vorzüglichste verarbeitet. Ungeheure Holzvorräthe sind aufgeschichtet und werden erst dann in Verwendung genommen, wenn die Garantie vorhanden, dass das Holz vollständig getrocknet ist. Trotz­dem gelangt noch alles Holz, das zu Orgeltheilen verbraucht wird, vorher in die Dampftrockenräume, wo die Aus­trocknung desselben durch Anwendung von Ventilatoren gefördert wird.

Das elektrische Licht hat schon vor Jahren seinen Eingang gefunden. Eine ansehnliche Zahl von Bogen­lampen erfüllt die Säle mit Tageshelle, und wo die Bogenlampe sich nicht entfalten kann, sind Glühlichter ange­bracht. Dampfheizung ist in jedem Raume vorhanden, und mit Dampf wird auch gekocht, gewärmt u. dgl. Heute beträgt die Zahl der Arbeiter 115 bis 125. Die beiden ältesten Gehilfen sind seit 1874, ferner 3 ca. 20 Jahre, 5 über 15 und 11 Arbeiter über 10 Jahre im Etablissement beschäftigt. An Arbeiterwohnungen, die zur Fabrik gehören, ist kein Mangel, auch besteht eine eigene Fabrikskrankencasse.

Nicht weniger als 700 neue Orgeln aus dem Etablissement Rieger haben in Oesterreich-Ungarn, Bosnien, Deutschland, Italien, England, Spanien, Rumänien, in der Türkei, in Norwegen und Russland ihre Standorte gefunden.

In Budapest wurde eine Zweigniederlassung mit einer Werkstätte errichtet. In St. Petersburg, Warschau und Christiania besitzt die Firma Vertretungen. Im Jahre 1888 wurde ihr das Recht zur Führung des kaiserl. Adlers in Siegel und Schild, 1896 der k. u. k. Hoftitel und in jüngster Zeit einem der Chefs das Ritterkreuz des Franz Josef-Ordens verliehen.

Die Orgeln der Firma Gebrüder Rieger zeichnen sich durch besonders starke Tonfülle, eine bis in das kleinste Detail ausgeglichene Intonation, durch streng charakteristische Klangfarbe der einzelnen Stimmen aus, zu welchen Vorzügen sich noch die stilgerechte Durchführung der Orgelgehäuse gesellt. Die Construirung eigen­artiger, aber ungemein leistungsfähiger Gebläse, hervorragende, tief einschneidende Verbesserungen an den Stimm­vorrichtungen und anderen Theilen haben den künstlerischen Werth der Orgeln in bedeutendem Maasse erhöht. Die k. u. k. Hof-Orgelfabrik der Gebrüder Rieger in Jägerndorf ist ein höchst ehrendes Denkmal ausdauernden Fleisses, sie ist wohl die grösste existirende Orgelfabrik, und ohne Frage können ihre Werke zu den besten derarti­gen Erzeugnissen gezählt werden.

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