Heft 
2 (1898) Heft 10-11
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VIII. Coplr-Telegraphen.

Die electrische Telegraphie ist ihrem ganzen Wesen nach eine Errungenschaft der neuesten Zeit, da die ersten, auf prak­tische Ausnützung hinzielenden Versuche vor nicht ganz 30 Jahren angestellt wur­den. Die Geschichte ihrer Entwicklung und ihrer Fortschritte verdient von Allen, als eine reiche Quelle des Unterrichtes angesehen zu werden, da sie uns zeigt, wie durch eine glückliche Vereinigung von Kunst und Wissenschaft der Mensch sich der Naturkräfte zu bemächtigen, die­selben zu mächtigen Bundesgenossen zu gestalten und seine Thätigkeit auf die äussere Welt zu erstrecken vermag:. That- Sache ist es, dass die electrische Telegra­phie, die bei ihrem ersten Auftreten mit Zurückhaltung, ja sogar mit ziemlichen Misstrauen aufgenommen wurde, alle Schwierigkeiten zu überwinden, die bei­den Hemisphären mit Netzen metallischer, durch unterseeische Kabel mit einander verbundener Drähte zu bedecken und zwi­schen den auf der Oberfläche der Erde zerstreuten Hauptpunkten des Verkehres sichere und schnelle Verbindungen her­zustellen im Stande war.

Dagegen entdeckten die Gelehrten in diesen langen Linien von, so verschie­denen Einflüssen unterworfenen Leitern ein weites und für Versuche ganz geeig­netes Feld, dessen sie sich zu bedienen wussten, um die Gesetze der Fortpflan­zung des electrischen Stromes eingehen­der zu studiren und genauer zu bestimmen. Wir sahen, welcher Reihe von Verbesse­rungen es bedurfte, um von der Beförde­rung flüchtiger, reeller oder conventio- neller Zeichen zur Wiedergabe der Depe sehen in gewöhnlicher Druckschrift zu gelangen. Dieses an und für sich so schö­ne Resultat wurde jedoch noch nicht als das Endziel der electrischen Telegraphie angesehen; es gab noch einen möglichen

Fortschritt, nämlich: die eigene Schrift des Aufgebers der Depesche am Endpunkte der Linie hervorzubrin­gen. Dem Bestreben, diess zu erreichen, verdanken die Copirtelegraphen ihre Er­findung.

Bei denselben spielt die von der Hand des Aufgebers niedergeschriebene Depe­sche nothwendiger Weise die Rolle des Stromgebers und die Zeichen, aus denen diese Depesche zusammengesetzt ist, wer­den auf einem Papierblatte von derselben Form und denselben Dimensionen wieder­gegeben. Auf der gebenden und auf der empfangenden Station ist ein Stift ange­bracht, der sowohl auf der Depesche als auf dem Papierblatte eine Reihe von paral­lelen Linien zieht. Sind beim Beginne der Correspondenz die beiden Stifte gleich- massig gestellt und wird der Organismus derbeiden correspondirenden Apparate von synchronistischen Bewegungen erregt, so werden auch die Spitzen der Stifte während der ganzen Dauer der Corres­pondenz immer dieselbe Stellung behaup­ten. Die Apparate dieser Klasse unter­scheiden sich sowohl durch die in Anwen­dung gebrachten Combinationen zur Er­zielung des Synchronismus und der Regel­mässigkeit der Verrückungen der Stifte, der Depesche und des Papierblattes, als auch durch die Wahl der zur Reproduction der befördeten Zeichen gebrauchten Mittel.

Der Pendelapparat von Caselli in Tu­rin, ausgestellt von der französischen Te- legraphen-Direction, figurirte als einziger Repräsentant der chemischen Copirtele­graphen. Derselbe wurde vor circa drei Jahren auf mehreren französischen Linien dem wirklichen Betriebe übergeben, hat sich aber in der Praxis nur auf einer der­selben (Paris-Lyon, 500 Kil. lang) behaup­ten können, auf welcher er circa 30 De-