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von Neujahr an wieder auf 8 Prozent der Friedensmenge zu erhöhen sei. Und diese Verordnung zu einer Zeit, als man dazu übergehen mußte, die allge­meine Mehlration der Bevölkerung auf die Hälfte zu kürzen.

Die Bevölkerung hungert, ist unterernährt, die Kräfte der Erwachsenen schwinden, so daß sie an Arbeitsfähigkeit einbüssen und die Kinder werden am Wachstum und Gedeihen gehinderi. 1st es unter solchen Umständen zu verantworten, daß überhaupt ferner die Erzeugung von Genußmitteln ge­stattet wird !

Wir wissen, daß die Regierung die steuerkräftige Brauindustrie schonen möchte, müssen aber darauf hinweisen, daß sehr viele Unternehmer und Ge­schäftstreibende leider durch den Krieg in gleich schwere Notlage versetzt sind, daß eine Unterstützung der Brau- und Branntweinindustrien aber gleichbedeutend ist mit der steigenden Verelendung des Volkes. Die abge­magerten Gestalten und bleichen Gesichter sind eine beherzigenswerte Mahnung.

Gewiß legt der Mangel an Branntwein und Bier vielen eine empfindliche Entbehrung auf, aber ist sie größer als das Entbehren von Milch, Milchkaffee, Zucker, Butter, Schmalz? Vor allem handelt es sich aber jetzt um Brot.

Die aus der Gerste erzeugten Nahrungsmittel, wie Graupen und Gersten­kaffee sind überdies dem Brot fast an die Seite zu stellen; wollen wir der Unterernährung nur etw r as steuern, die viele Krankheiten aller Art bis zum Hungertyphus erzeugt, so muß jedes Nahrungsmittel dem Volke erhalten werden, es kann keinen anderen Gesichtspunkt geben als dem furchtbaren Elend zu steuern.

Es erlauben sich daher die in dem Bunde österreichischer Frauenvereine vertretenen Organisationen mit ihren über 100.000 zählenden Mitgliedern an die Hohe Regierung die Bitte zu stellen:

Das k. k. Amt für Volksernähiung wolle rechtzeitig Vorschriften er­lassen, welche die zu gewärtigende Einfuhr von Bodenerzeugnissen aus den östlichen an die österreichisch ungarische Monarchie grenzenden Länder vor dec Verarbeitung zu Bier und Branntwein schützen; diese Bodener­zeugnisse. bezw. Mahlprodukte für die Volksernährung in vollem Masse sichern und hiedurch den für die Gesundheit ihrer Familie von schwerer Sorge belasteten Frauen die Gewißheit geben, daß die so sehnlich erwarteten Brotfrüchte auch nicht teilweise zur Erzeugung von Rauschgetränken, sondern voll und ganz der Volksernährung zugute kommen sollen.

Die Frau im Felde.

Man weiß seit langem, daß dieser nicht enden wollende, über fast ganz Europa verbreitete, mörderische Krieg auch die Frauen­kräfte in einem noch nie dagewesenen Maße in Anspruch nimmt. Und zwar nicht bloß dadurch, daß die Ernährungsaufgabe durch die schwierige und ungenügende Nahrungsmittelbeschaffung zu einer peinlichen, fast unlösbaren wird, dadurch daß die Frauen die Männerarbeit leisten, sondern auch durch die direkte Beteiligung am Waffenhandwerke. Die Munition wird zum großen Teil von Frauen hergestellt. Man wußte auch, daß Frauen im Felde stehen, aber von dem Umfange der Frauendienstleistungen daselbst hatte man doch nur unbestimmte Vorstellungen. Man wußte Kranken­pflegerinnen im Bereich der Wahlstatt und man hörte von Tele­phonistinnen, die ihre Posten im Kugelregen nicht verlassen hatten, aber immerhin wähnte man nur eine geringe Anzahl den Kämpfenden so nahe. In den letzten Monaten ist an die Stelle so unbestimmter