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leisten. Nun wo wir uns in einem uns aufgezwungenen Kriege zur Wehr setzen müssen, heißt es alle Kräfte heranziehen um einen wohlverdienten, ehrenvollen, dauernden Frieden zu erringen.

Marianne Hainisch.

Buchbesprechung.

Paula Mueller: Die Verantwortung der Frau für die religiös-sitt­liche Erneuerung des Volksleben. Verlag von Edwin Runge in Berlin- Lichterfelde, 1918.

Mit Angst und Sorge sehen wir der Entwicklung des sozialen Lebens nach dem Kriege entgegen. Wie werden die heimkehrenden Krieger sich in ihre alten, oftmals schlechter gewordenen Arbeitsplätze zurückfinden ? Auch in der Familie wird der Platz in manchen Fällen erst zurückerobert werden müssen; in anderen Fällen wird nichts mehr da sein t was der Zurückeroberung wert wäre oder der Wunsch nach dem alten Zusammenleben wird erloschen sein. Wie viele Ehen werden die Belastungsprobe einer vierjährigeu Trennung aushalten ? Wie manche Bande, die im gleichen Flusse des täglichen Lebens gehalten hätten, werden gerissen sein, da nicht aufrichtige Neigung und opfer­freudige Hingabe dereinst die Gründe zu ihrer Knüpfung waren ? Wieviele Frauen auch, durch eigene Arbeit zu materieller Selbständigkeit gelangt, werden sich nicht wieder unter die führende Leitung des Gatten begeben wollen? Und werden nicht gerade die kühnsten Helden, die am waghalsigsten ihr Leben aufs Spiel setzen, auch die sein, die mit einemmorgen können wirs nicht mehr, darum laßt uns heute leben, jedes Abenteuer am Schopf packen, das sich ihnen bietet?

ImMercure de France beschäftigt sich ein französischer Arzt, Dr. Huot, mit diesen Fragen in ähnlichem Sinne und wenn er von der Un­geheuern Zunahme der Scheidungen der Ehen Eingerückter berichtet, so haben wir einen geringen Trost darin, daß bei uns Dank unserer rückständigen Ehegesetzgebung diese Folge ausbleiben wird ; was aber an ungeregelten Verhältnissen an deren Stelle treten wird, wird um kein Haar wünschens­werter sein. Wir dürfen auch nicht glauben, daß die leicht erregbaren Romanen so viel schlimmer sind als die schwerfälligeren Germanen: das Bild, das in dem uns vorliegenden Büchlein entworfen ist, ist um nichts rosiger.

Die auch bei uns wohlbekannte Vorsitzende des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes zeichnet mit scharfen Strichen die Entwicklung, die das Volks­leben vor dem Kriege genommen hatte. Sie verurteilt die zunehmende Genuß­sucht und das individualistischeSich-ausleben-wollen. Die Begeisterung der ersten Kriegstage brachte manche schlummernden Kräfte zur Auslösung, manch blasierter Lebejüngling fand in der Hingabe für sein Vaterland den Inhalt seines Lebens, den er bisher umsonst gesucht hatte. Viele sind seit jenen Tagen wieder ins alte Geleise zurückgesunken und es sei Sache der Frau, meint Paula Mueller, die damals gesäeten Saatkörner zur Reife zu bringen. Mit dem schönen Wortnur durch das Verantwortungsgefühl erleben wir innerlich unsere Zeit ruft sie alle Frauen auf, den drohenden Gefahren ent­gegenzuarbeiten. Sie verlangt von der Frau den Mut, ihre strengere Auffassung vom Leben zur Geltung zu bringen und -- ohne pharisäische Ueberhebung den Schwächeren auf den rechten Weg zu verhelfen. Von den Müttern fordert sie, sich bewußt zu sein, daß sie nicht nur sich und ihren Familien leben dürfen, daß sie der Allgemeinheit gegenüber besondere Frauenpflichten haben, daß sie ihre Kinder für diese Allgemeinheit erziehen und in ihnen die Er­kenntnis zu wecken haben, daß auf ihnen wieder die Zukunft der künftigen Geschlechter ruht. Daß sie diese Ziele durch Wiederbelebung des religiösen Lebens zu erreichen hofft, ist bei der bekannten Richtung Paula Muellers selbst­verständlich. Wir können ihr auf dieses Gebiet nicht folgen schon wegen des spezifisch protestantischen Standpunktes, den sie einnimmt; was aber nicht hindern wird, daß auch viele, die auf einem andern Standpunkt stehen, das Büchlein mit Gewinn lesen werden. Eugenie v. Palitschek.