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In seiner ersten Jiitte an den Reichsrath um Freigebung des Frauenstudiums war es schmerzlich ausgesprochen, dass im Sohn die Hoffnung, in der Tochter die Sorge der Familie geboren wird. Heute dürfen wir w'ie die beglückten Eltern, die uns ihr Bestes anvertrauten und nicht getäuscht wurden, mit freudigem Stolz auf die Erwählten hinweisen, die aus der Dumpfheit und Enge zu befreiender Höhe tapfer emporgestiegen sind. Unser Herz ist mit ihnen, unsere Zukunft ist bei ihnen. In ihrer Jugend sei dem Verein verjüngende Kraft verbürgt, die ihn fortwirken lässt mit unverbrüchlicher Treue, mit unerschütterlichem Mutlie, in Erkenntnis und Ausdauer, damit in späteren Decennien die kommenden Sieger sich der ersten Kämpfer dankbar erinnern mögen!

So ist diesem Verein am Kommenden ein reichlich Tlieil gesichert und des Miterlebten darf er sich als eines Miterworbenen freuen. Überall hin ging es wie Anregung und Erweckung, neue Kräfte bethätigen sich, die wirkenden schlossen sich näher zusammen, zeigen mehr und mehr Planmässigkeit und den Erfolg verbürgende Arbeitstheilung. Das Princip des Vereines, die Frauensache der Dienstbarkeit des Parteigetriebes zu entrücken, hat nunmehr unbestrittene Geltung erlangt. Die irreführende Verwechslung von schablonenhafter Gleichheit im Unbedeutenden und Äusserlichen mit wirklicher Gleichberechtigung hat aufgehört.

Der Märchenglaube, dass Freiheit und Recht wie die Sterntlialer durch Himmelsgunst dem kindlichen Geschöpf in den Schoss geworfen werden, ist der besseren Einsicht gewichen. Was inmitten des Vereines mit Klarheit ausgesprochen, mit Entschiedenheit erstrebt wurde:das Recht auf Arbeit als die Grundlage des Rechtes auf volles Menschenthum, ist zum allgemeinen Losungswort geworden. Der Sectenwahn der Fa­natiker, die bald im Hass, bald in der Liebe der Geschlechter den In­begriff des Menschlichen erblicken, bald im Animosen, bald im Ani­malischen schwelgen, stets aber die Vernunft des Weibes darben lassen und sein Existenzminimum von Achtung noch tiefer herabdrücken, dieser traurige Sectenwahn verliert seine Anhänger. In der Kräftigung, Schulung und Entfaltung des weiblichen Geistes haben wir ihm siegreiche Gegner­schaft erwecken geholfen. Der Verein hat bei seinem Entstehen von veralteter Tradition sich losgesagt, von starren Doctrinen sich fernge­halten. In vertiefter Bildung glaubt er die Bedingungen veredelter Sitt­lichkeit und wachsender Wohlfahrt zu erkennen. Zehn Jahre der Ent­wicklung um ihn her bestätigen diese Meinung. Denn wo immer und von wem immer zu Gunsten des Frauenrechtes gestrebt und geschaffen wurde die unerbittliche, unausweichliche Forderung nach dem Gleicli- mass des Wissens für Mann und "Weib, die der Verein zuerst erhoben, gelangten immer mehr zur Geltung. Die Frauen müssen so scharf in sich wie um sich blicken lernen, müssen mit gleicher Strenge von sich wie von den andern zu fordern verstehen. Darauf ist jeder Fort­schritt in diesem Decennium zurückzuführen. Mit dem Aufschwung des Bildungswesens in gleichem Grade wachsen die Leistungen. Mit dem Eintritt in neue grosse Pflichtenkreise wird die Frau Besitzerin eines